Mikrobiologie

Isotopen-Effekt löst Stickstoff-Puzzle

Wissenschaftler entschlüsseln Stickstoffverluste in den Ozeanen

Bioreaktor mit einer Anammox-Anreicherungskultur. © Boran Kartal, Radboud Universität Nijmegen

Große Regionen der Weltmeere leiden an Stickstoffknappheit. Bislang war unklar, wie genau die zu diesem Nährstoffmangel führenden Prozesse ablaufen. Ein Team von Wissenschaftlern aus Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz hat entscheidende Details eines wichtigen mikrobiellen Prozesses aufgedeckt und leistet damit einen großen Beitrag zum Verständnis der Stickstoffbilanz in den Ozeanen. Die Forscher berichten darüber in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences, USA“.

Fixierter Stickstoff reguliert Wachstum

Stickstoff ist überall um uns herum, er macht als molekularer Stickstoff ungefähr 80 Prozent der Atmosphäre aus. Außerdem ist Stickstoff eins der wichtigsten chemischen Elemente in sämtlichen biologischen Prozessen. Die meisten Organismen sind allerdings nicht in der Lage, den gasförmigen Stickstoff aus der Atmosphäre direkt zu nutzen: Sie haben in ihren Zellen nicht die entsprechenden Werkzeuge zur Stickstoff-Fixierung.

Deshalb sind sie auf Stickstoffverbindungen wie Ammonium, Nitrit und Nitrat angewiesen, die von den so genannten stickstoff-fixierenden Organismen produziert werden. Die Menge dieses fixierten, biologisch verfügbaren Stickstoffs reguliert in der Natur daher häufig das Wachstum. Aus diesem Grund sind Düngemittel oft reich an diesen notwendigen Stickstoffverbindungen.

Es gibt in der Umwelt eine Reihe von weiteren mikrobiellen Prozessen, die fixierten Stickstoff zur Energiegewinnung nutzen und wieder in gasförmigen, molekularen Stickstoff umwandeln. Wissenschaftler sprechen hier von einem Verlust an fixiertem Stickstoff, weil dabei der jeweilige Lebensraum wichtige Stickstoffverbindungen verliert. Andere Organismen sind dadurch in ihrem Wachstum oft stark eingeschränkt.

Stickstoffverlust durch Anammox

Die Prozesse, die zum Stickstoffverlust führen, laufen in verschiedenen Mikroorganismen ab, manche reduzieren Nitrat und Nitrit, manche oxidieren Ammonium. Andere Bakterien nutzen Nitrit und Ammonium, um daraus molekularen Stickstoff zu bilden: Diese anaerobe, also ohne Sauerstoff stattfindende Oxidation von Ammonium ist unter dem Begriff Anammox bekannt.

Schema zu den Stickstoffverlusten und –gewinnen in den Ozeanen © MPI Bremen

Solche Stickstoffverluste sind besonders stark in Meeresgebieten ausgeprägt, in denen der im Wasser gelöste Sauerstoff fast komplett verbraucht wurde. Diese Zonen werden als Oxygen Minimum Zones (OMZ) bezeichnet. Wissenschaftliche Studien lassen befürchten, dass sich diese OMZ aufgrund des Klimawandels weiter ausbreiten werden. Das könnte zu weitreichenden Konsequenzen bei den Stickstoffverlusten und damit des gesamten Ökosystems in den Ozeanen führen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welcher mikrobielle Prozess wie stark zu den gesamten Stickstoffverlusten beiträgt und wo dieser innerhalb der OMZ stattfindet.

Das fehlende Teil zum Stickstoff-Puzzle

Um diese Frage zu beantworten, analysierte das Team von Wissenschaftlern die Verteilung von stabilen Stickstoff-Isotopen. Diese unterscheidet sich in den einzelnen Stickstoffverbindungen sowie dem gasförmigen Stickstoff der Atmosphäre. Benjamin Brunner, einer der Autoren der nun veröffentlichten Studie, erklärt: ”Die verschiedenen mikrobiellen Prozesse hinterlassen verschiedene Isotopenmuster. Manche dieser Reaktionen bevorzugen das leichtere 14N vor dem schwereren 15N, andere Prozesse ziehen das schwerere Isotop vor, Wissenschaftler bezeichnen diese Vorgänge als Isotopeneffekte.“

Die Isotopeneffekte des Anammox-Prozesses waren bislang die große Unbekannte im Stickstoff-Puzzle. Um sie zu untersuchen, züchteten die Wissenschaftler hochangereicherte Zellkulturen von Anammox-aktiven Bakterien. Die darin gefundenen Isotopeneffekte verglichen sie mit den gemessenen Isotopenmustern aus den stickstoffarmen Meeresregionen, den OMZ. Und in der Tat fanden sie dort eine Übereinstimmung: „Unsere Ergebnisse belegen, dass die von Anammox verursachten Isotopeneffekte die Isotopenmuster in den OMZ, die sehr wichtig für die Primärproduktion sind, erklären können,” erläutert Boran Kartal, Mikrobiologe an der Radboud University Nijmegen.

Marcel Kuypers, Direktor am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, fasst zusammen: ”Diese fehlende Information ist von größter Bedeutung zur Lösung des Stickstoff-Isotopen-Puzzles. Nicht nur, weil Anammox ein wesentlicher Prozess in den OMZ ist, sondern auch, weil Anammox die Isotopenzusammensetzung aller Stickstoff-Reservoirs beeinflusst: Es setzt Ammonium und Nitrit zu gasförmigem Stickstoff und Nitrat um.”

Frühere Untersuchungen möglicherweise falsch interpretiert

Sergio Contreras, ein Paleo-Biogeochemiker, der an der Vergangenheit und Zukunft des Stickstoffkreislaufes interessiert ist, ergänzt: ”Um die Stickstoff-Isotopenmuster in der Umwelt entschlüsseln zu können, muss man für alle Prozesse im Stickstoffkreislauf deren jeweilige Isotopeneffekte kennen.“ Sein Kollege Moritz Lehmann, Isotopen-Biogeochemiker an der Universität Basel, fügt hinzu: “Genau hier lag das Problem: Die Isotopeneffekte eines Prozesses der mitverantwortlich für den Verlust an fixiertem Stickstoff ist – nämlich Anammox – waren bisher unbekannt. Es ist deshalb möglich, dass frühere wissenschaftliche Untersuchungen zu globalen Stickstoffverlusten falsch gewichtet und interpretiert wurden.“

(PNAS, 2013; doi:10.1073/pnas.1310488110)

(Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, 05.11.2013 – AKR)

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