Dass Videospiele nicht grundsätzlich aggressiver machen oder unsozialer, haben schon mehrere Studien gezeigt. Aber wie sieht es mit Jugendlichen aus, die besonders anfällig sind, weil sie an Depressionen oder ADHS leiden? Genau das haben jetzt zwei US-Forscher untersucht – mit überraschendem Ergebnis: Die Egoshooter wirkten auf die Teenager sogar eher beruhigend und minderten ihr aggressives und schikanierendes Verhalten.
Immer wieder wird debattiert, welche Rolle gewaltverherrlichende Videospiele wie „Mortal Kombat“, „Halo“ oder „Grand Theft Auto“ für Gewalttaten durch Jugendliche oder junge Erwachsene spielen. Trägt das stundenlange Spielen von Egoshootern und anderen Ballerspielen möglicherweise dazu bei, bereits vorhandene antisoziale Tendenzen noch zu verstärken? Und gibt es eine Verbindung zwischen gewalttätigen Videospielen und den Tätern von Schulmassakern wie beispielsweise in den USA oder bei uns in Winnenden? Fördern die Spiele Gewalt und Aggressionen unter jungen Menschen mit bereits bestehenden psychischen Problemen?
Das haben Christopher Ferguson von der Stetson University und seine Kollegin Cheryl Olson nun in einer Studie mit 377 Schulkindern im Alter von 13 Jahren überprüft. Die Kinder stammten aus unterschiedlichen Verhältnissen und ethnischen Gruppen, allen gemeinsam war aber, dass sie psychisch auffällig waren: Bei Untersuchungen mit Hilfe der sogenannten Pediatric Symptom Checklist zeigten sie signifikant erhöhte Werte für depressive Symptome oder für die Aufmerksamkeitsstörung ADHS. Die Forscher werteten aus, ob sich die Verhaltensauffälligkeiten der Jugendlichen, die besonders viel Videospiele spielten, hinterher verstärkten oder nicht.
Keine negativen Auswirkungen
Das Ergebnis: „Wir fanden keinerlei Hinweise darauf, dass diese Art von Videospielen Mobbing oder kriminelles Verhalten unter anfälligen Jugendlichen mit klinisch nachgewiesenen psychischen Auffälligkeiten steigert“, berichten die Forscher. Auch zwischen solchen Spielen und späterem Mobben und Kriminalität sei kein Zusammenhang festzustellen. Im Gegenteil: Auf Jugendliche mit ADHS hatten die Videospiele eher einen beruhigenden Effekt und trugen zur Reduzierung von aggressivem und schikanierendem Verhalten bei.
„Unsere Ergebnisse sprechen gegen die Annahme, dass verhaltensauffällige Kinder automatisch anfälliger für aggressionsfördernde Effekte solcher Videospiele sind „, konstatieren Ferguson und Olson. Das stimme auch mit einem Bericht des US-Secret Service überein, der kürzlich belegte: Das Auftreten gängigerer Formen jugendlicher Gewalt ist eher mit Aggressivität und Stress als mit gewalttätigen Videospielen in Verbindung zu bringen.
Nicht pauschal auf Amokläufer übertragbar
Allerdings betonen die Forscher, dass ihre Erkenntnisse nicht pauschal auf Extremfälle wie Amokläufe übertragbar sind. „Statistisch gesehen wäre es in der Tat mehr als ungewöhnlich, wenn jugendliche Straftäter oder Schützen keine derartigen Spiele spielen würden – die Mehrheit der jungen Leute und speziell der jungen Männer tut dies zumindest gelegentlich“, so Ferguson. Das aber bedeute nicht automatisch, dass die Videospiele der Auslöser oder Zündfunke gewesen seien. Sie raten daher, die Einstellung zum Einfluss von Gewaltvideospielen neu zu überdenken, selbst wenn es um psychisch auffällige Kinder geht. (Journal of Youth and Adolescence, 2013; doi: 10.1007/s10964-013-9986-5)
(Springer science & business, 27.08.2013 – NPO)