Der Asteroidengürtel birgt Überraschungen: Denn viele seiner vermeintlich toten Felsbrocken sind in Wirklichkeit schlafende Kometen, wie kolumbianische Astronomen herausgefunden haben. Werden sie nur ein wenig aus ihrer Bahn gelenkt, können sie durch die Sonnenwärme wieder erwachen und einen Schweif bilden. Nach Schätzungen der Forscher könnten sogar tausende solcher potenzieller „Lazarus-Kometen“ unerkannt den Asteroidengürtel bevölkern, tausende weitere sind dagegen endgültig erloschen und bilden den größten Kometen-Friedhof unseres Sonnensystems.
Im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter sammelt sich in einem gewaltigen Ring der „Abfall“ aus der Frühzeit des Sonnensystems: Millionen von Gesteinstrümmern kreisen hier, die bei der Planetenbildung übrig geblieben sind oder durch zerbrechende Kleinplaneten entstanden. Diese Brocken kollidieren ab und zu miteinander und verhalten sich ansonsten eher unauffällig.
Rätselhafte Kometen aus dem Nichts
Doch in den letzten zehn Jahren haben Astronomen zwölf Bewohner dieses Gürtels entdeckt, die nicht ins Bild passen: Es sind aktive Kometen – also vornehmlich aus Eis und Staub bestehende Objekte, die nach gängiger Lesart eher in die Außenbereiche unseres Systems gehören. Sie tauchten meist scheinbar aus heiterem Himmel inmitten der Gesteinsbrocken auf. Statt der normalen stark elliptischen Bahn blieben diese Kometen seltsamerweise auf ihrer nahezu kreisförmigen Bahn im Gürtel. Woher diese „Schweifsterne“ aber kommen und wie sie entstehen, war bisher unklar.
Um das zu klären, untersuchten Ignacio Ferrin von der Universität von Anitoquia in Kolumbien und seine Kollegen den Asteroidengürtel und die zwölf rätselhaften Kometen nun noch einmal näher. In Simulationen und Modellrechnungen versuchten sie, den Mechanismus zu enträtseln, der diese Kometen aktiviert haben könnte. Tatsächlich stießen sie auf eine plausible Erklärung. Demnach sah der Asteroidengürtel vor Millionen von Jahren ganz anders aus als heute. Statt nur toter Gesteinstrümmer fanden sich in ihm auch Tausende von aktiven Kometen.
Verliert er sein Eis, stirbt der Komet
Doch im Laufe der Zeit ließ deren Aktivität nach, weil die Sonnenwärme nach und nach alles Eis aus ihren oberen Kernschichten herauslöste und als Wasserdampf ausgasen ließ. Dadurch war quasi der Nachschub für ihren Schweif erschöpft, sie wurden inaktiv. „Wenn ein Kometenkern nur 50 bis 150 Meter im Radius misst, dann ist die Sonnen-Einstrahlung im Asteroidengürtel stark genug, um im Laufe der Zeit alles Eis und alle flüchtigen Substanzen aus ihm herauszulösen – der Komet erlischt“, erklären die Forscher.
Für viele Tausend solcher Kleinkometen wurde dieser Ring zwischen Mars und Jupiter daher zur letzten Ruhestätte: Sie haben ihr Eis längst verloren und kreisen nun für immer als steinige Brocken inmitten der Asteroiden. „Wir haben einen echten Kometen-Friedhof gefunden“, erklärt Ferrin.
Schwerkraftschubs schafft „Lazarus-Kometen“
Anderes aber bei den größeren Kometenkernen: Sie sind nicht tot, sondern schlafen nur. Denn die Sonnenwärme konnte nicht bis in das Innere des Kerns eindringen, so dass dort noch Eisreserven übrigblieben. „Diese schlafenden Kometen können wieder zum Leben erwachen, wenn die Energie der Sonneneinstrahlung nur um wenige Prozent ansteigt“, so die Astronomen. Das kann dadurch geschehen, dass beispielsweise die Anziehungskraft des Jupiter oder andere Turbulenzen im lokalen Schwerkraftfeld die Bahn dieser Kometen nur um ein Weniges weiter nach innen verlagert. Dann dringt die Sonnenstrahlung tiefer in den Kometenkern ein und erreicht so auch die inneren Eisreserven, die nun beginnen, auszugasen – der Komet bekommt wieder einen Schweif und wird aktiv.
„Diese Objekte sind ‚Lazarus-Kometen‘, die nach Tausenden oder Millionen von Jahren der Ruhe nun wieder erwachen“, sagt Ferrin. Nach Ansicht der Forscher könnten elf der zwölf in den letzten zehn Jahren entdeckten Kometen auf diese Weise wiederaufstanden sein – und sie werden nicht die einzigen bleiben: „Potenziell könnte jeder der vielen tausend schlafenden Nachbarn dieser Kometen das Gleiche tun“, so die Astronomen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, in press)
(Royal Astronomical Society, 06.08.2013 – NPO)