Medizin

Risikogen für Herzinfarkt und Parodontitis

Neue genetische Zusammenhänge mit gestörtem Fett- und Zuckerstoffwechsel entschlüsselt

Herz und Stethoskop
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind bei uns Todesursache Nummer 1. © SXC

Das Gen mit dem Namen ANRIL ist der wichtigste genetische Risikofaktor für Herzinfarkte und Parodontitis – einer starken Zahnfleischentzündung, die sogar den Kieferknochen zerstören kann. Welche Rolle ANRIL genau bei der Krankheitsentstehung spielt, war bislang jedoch unklar: Ein deutsch-niederländisches Forscherteam hat nun weitere, bedeutende Funktionen des Gens im Fett- und Zuckerstoffwechsel entschlüsselt und zusätzliche Risikovarianten des Gens entdeckt.

Um den Aufgaben von ANRIL auf die Spur zu kommen, bastelten die Wissenschaftler um Arne Schäfer vom Institut für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität in Kiel einen molekularbiologischen Schalter: Damit kann das ANRIL-Gen zu bestimmten Zeitpunkten an- und ausgeschaltet werden. Diesen Schalter schleusten sie in Zellkulturen – das sind Zellen, die in Nährlösungen heranwachsen – ein, um zu sehen, welche Stoffe dann produziert werden oder eben nicht. „Wir haben die Zellen ausgetrickst, um zu sehen, welche Gene beim Ausschalten von ANRIL hoch- oder herunterreguliert werden“, erklärt Schäfer. Rund 22.000 sogenannte Genprodukte beobachteten die Biologen über verschiedene Zeiträume, nachdem sie ANRIL ausgeschaltet hatten. Außerdem verglichen sie ihre Daten mit den Erbgutanalysen von 870 Parodontitis- sowie 21.000 Herzinfarktpatienten. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscher kürzlich in der Fachzeitschrift „Human Molecular Genetics“.

Drei Gene stachen jedes Mal besonders heraus und wurden in ihrer Funktion herabgesetzt: Die mit ADIPOR1, VAMP3 und C11ORF10 bezeichneten Gene, beziehungsweise ihre Produkte, stehen in einem wichtigem Zusammenhang zum Fett- und Zuckerstoffwechsel. Dies war eine Neuigkeit für die Wissenschaftler. Nicht neu dagegen war jedoch der genetische Zusammenhang von Herzinfarkten und Zahnfleischentzündung. Daher untersuchten die Forscher die DNA von 870 Parodontitispatienten und einer Kontrollgruppe von 2.700 Gesunden und fanden eine weitere genetische Risikovariante mit dem Namen VAMP3/CAMTA1. Dieser Befund konnte in mehr als 21.000 Herzinfarktpatienten und in 44.000 Kontrollpersonen im Rahmen des größten, europäischen Patientenkollektivs des Herzinfarktes (CARDIoGRAM) bestätigt werden. Der Abschnitt der DNA, in dem diese Variante liegt, wurde bereits zuvor mit einem deutlich erhöhten Auftreten krankmachender Parodontalkeime in Verbindung gebracht. „Bei der Zielgruppe der Parodontitispatienten haben wir uns auf normalgewichtige Personen unter 35 Jahren konzentriert, um die Unabhängigkeit der Befunde von anderen Ursachen der Krankheit, wie jahrzehntelanges Rauchen und Übergewicht, zu gewährleisten. Der Befund in der riesigen europäischen Stichprobe zum Herzinfarkt, der sich unabhängig vom Alter und Geschlecht zeigte, weist auf die generelle Bedeutung der gefundenen Zusammenhänge für diese Krankheit“, erläutert Schäfer die Ergebnisse seiner Forschung weiter.

„Unsere Ergebnisse bringen uns bei der Erforschung der genetischen Ursachen des Herzinfarktes einen sehr großen Schritt voran“, sagt Schäfer. „Sie weisen auch darauf hin, dass ein gestörter Fett- und Zuckerstoffwechsel, vermutlich durch seine Effekte auf die Bildung von Entzündungsstoffen, eine große Rolle bei der Entstehung der Parodontitis spielt. Parodontitis und die Arteriosklerose, die häufig zu Herzinfarkten führt, scheinen einen gemeinsamen, ursächlichen Zusammenhang zu haben, der möglicherweise auch in Prozessen des Fettstoffwechsels zu finden ist.“

(Hum. Mol. Genet., 2013; doi: 10.1093/hmg/ddt299)

(Universität Kiel, 25.07.2013 – SEN)

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