Medizin

TV-Spots machen Medikamente wirksamer

Pharma-Werbung verändert die Erwartungen und das beeinflusst die Wirkung des Mittels

Ob Kopfschmerztablette, Schnupfenmittel oder Allergiehemmer: Spots für solche rezeptfreien Medikamente sind im Fernsehen alltäglich. Ein Experiment US-amerikanischer Forscher belegt nun: Diese Werbung beeinflusst nicht nur die Erwartungen der Konsumenten. Die TV-Spots können sogar die Wirkung des Medikaments selbst verstärken, wie sie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.

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Wie gut ein Medikament wirkt, ist nicht nur von seinen Inhaltsstoffen abhängig – auch das Drumherum spielt eine wichtige Rolle. So zeigen Studien, dass die Farbe einer Tablette, das Design der Verpackung und sogar der Preis die Wirkung eines Arzneimittels mitbestimmen. Denn diese Merkmale beeinflussen unbewusst die Haltung des Konsumenten zu diesem Produkt – und damit auch seine physiologischen Reaktionen. Wie weit dieser Einfluss geht, zeigen Studien mit Placebos, wirkstofflosen Zuckerpillen, Pseudospritzen oder anderen Scheinbehandlungen, die bei bis zu einem Drittel der Teilnehmer gegen Schmerzen, Entzündungen und andere Krankheitssymptome helfen.

Bekannt ist, dass die positive Erwartung des Patienten – ob unbewusst oder bewusst – für diesen Effekt eine große Rolle spielt. An diesem Punkt setzt nun die Studie von Emir Kamenica und seinen Kollegen von der University of Chicago an. Denn sie wollten wissen, ob nicht auch die Pharmawerbung die Erwartung der Patienten an ein Medikament beeinflusst und damit auch dessen Wirkung. Während in den USA auch verschreibungspflichtige Arzneimittel beworben werden dürfen, ist dies in der EU eingeschränkt: Bei uns ist nur Werbung für rezeptfreie Medikamente erlaubt, darunter auch für viele Antihistaminika, Mittel, die die Symptome von Heuschnupfen, Asthma und anderen allergischen Reaktionen lindern sollen.

Antihistaminikum als Testfall

Die Forscher führten ihr Experiment mit 340 Probanden durch, die Hälfte Allergiker die andere Hälfte nicht. Alle bekamen zunächst eine kleine Dosis einer Histaminlösung auf den Unterarm appliziert, diese Reizung löste eine rote, entzündete Schwellung an dieser Stelle aus. „Diese Reaktion zeigt jeder Mensch, egal ob er Allergiker ist oder nicht“, erklären die Wissenschaftler. Anschließend befragten sie die Probanden über ihre Einstellung zum Antihistaminikum Loratadin, bekannt auch unter dem Präparatnamen Claritin, und erklärten ihnen, sie würden jetzt eine Tablette mit 10 Milligramm dieses Präparats erhalten – was dann auch geschah.

Alle Probanden wurden dann zur vermeintlichen Erholung und Beobachtung in einem Raum gebracht, in dem sie auf einem Videoscreen einen Spielfilm anschauen konnten. Während die Teilnehmer den Film sahen, wurde dieser in fürs Fernsehen typischen Abständen durch Werbepausen unterbrochen. Bei einer Hälfte der Probanden lief darin neben anderen Spots auch ein Werbespot für Claritin, bei der anderen Hälfte einer für das Konkurrenzprodukt Zyrtec, das unter anderem mit einer schnelleren Wirkung wirbt. Zwei Mal während des Films, nach 60 und 120 Minuten, unterbrachen die Forscher, reizten erneut eine Hautstelle mit der Histaminlösung und maßen die Reaktion. Beim letzten Test befragten sie die Probanden zudem erneut nach ihrer Meinung über Claritin.

Mehr Wirkung dank TV-Spot

Wie sich zeigte, gab es tatsächlich deutliche Unterschiede in der Histamin-Reaktion – allerdings nur bei den nicht-allergischen Probanden: Bei denjenigen von ihnen, die mehrfach den Claritin Werbespot gesehen hatten, wirkte das Mittel signifikant besser, wie die Forscher berichten. Die Haut reagierte 120 Minuten nach Gabe des Claritins weniger stark auf eine erneute Reizung mit Histamin als bei der Gruppe mit dem Konkurrenzspot. Gleichzeitig hatte die Pharmawerbung auch die Erwartungen dieser Teilnehmer verändert, wie die Befragung ergab: Hatten sie den Claritin-Spot gesehen, glaubten sie nun stärker an die Wirksamkeit des Mittels als zuvor.

„Diese Ergebnisse stützen die Annahme, dass Fernsehwerbung durchaus die physiologische Wirkung eines Marken-Arzneimittels beeinflussen kann“, konstatieren Kamenica und seine Kollegen. Auf welchem Wege dies genau geschehe, sei zwar noch unklar. Es liege aber nahe, dass die Werbung die positiven Erwartungen der Patienten verstärke und dass dies ähnlich wie beim Placeboeffekt auch die physiologische Reaktion günstig beeinflusse.

Werbung wirkt vor allem bei Neulingen

Bei den Allergikern ließen sich diese Einflüsse der Werbung nicht feststellen, die Unterschiede waren hier statistisch nicht signifikant. Auch die Erwartungen der Probanden blieben vor und nach dem Anschauen der Werbespots gleich. Die Forscher führen dies darauf zurück, dass Menschen mit Allergien meist schon mehr Vorwissen über Antihistaminika und die verschiedene Präparate besitzen. Sie haben sich daher schon eine Meinung gebildet und lassen sich weniger stark beeinflussen.

„Das bedeutet, dass unsere Ergebnisse zum Einfluss von Pharmawerbung vor allem für die Menschen zutreffen, die neu mit einer Allergie diagnostiziert wurden oder die noch wenig Erfahrung mit den entsprechenden Präparaten besitzen“, sagen die Wissenschaftler. Eine aktuelle Studie habe gezeigt, dass immerhin rund 15 Prozent der Käufer von Antihistanminika Erstnutzer sind, also genau zur der Gruppe gehören, auf die die Pharmawerbung wirkt.

(Proceedings of the National Academy of Sciences, 23.07.2013 – NPO)

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