Genetik

Forscher rekonstruieren 700.000 Jahre altes Erbgut

Im Permafrost konservierte Urpferd-Knochen liefern bisher älteste Urzeit-DNA

Knochenfragmente eines 700.000 Jahre im Permafrost konservierten Urpferds - aus ihnen wurde die DNA isoliert. © Ludovic Orlando

Es ist ein echter Rekord der Genetik: Wissenschaftler haben das älteste Erbgut eines prähistorischen Wesens sequenziert. Sie entschlüsselten die DNA eines 700.000 Jahre alten Urpferds, dessen Überreste im Permafrost Alaskas konserviert waren. Das bisher früheste erfolgreich rekonstruierte Genom war nur einige zehntausend Jahre alt, wie die Forscher in „Nature“ berichten. Die von ihnen genutzte Methode eröffnet nun neue Möglichkeiten, auch das Genom anderer urzeitlicher Kreaturen zu rekonstruieren.

Das Erbmaterial eines Organismus bleibt auch nach dessen Tod erhalten. Vor allem in Knochen und Zähnen kann die DNN konserviert bleiben. Im Laufe der Zeit aber zerfallen die langen Stränge des Erbmoleküls in kürzere Fragmente. Aus diesen Bruchstücken müssen Forscher daher wie aus einem Puzzle die ursprüngliche Sequenz wieder zusammensetzen. Und oft fehlen bei Fossilien entscheidende Bereiche, weil viele Fragmente nicht erhalten blieben. Unter anderem deshalb war das älteste bisher rekonstruierte Erbgut eines Urzeitwesens „nur“ 70.000 Jahre alt.

Computerprogramm hilft bei DNA-Puzzle

Ludovic Orlando und Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen und ihren Kollegen ist es nun erstmals gelungen, eine sehr viel ältere DNA aus einem Fossil zu isolieren und erfolgreich zu rekonstruieren. Die Chance boten ihnen Knochen eines Urpferds, die 700.000 Jahre lang im Permafrostboden Alaskas konserviert geblieben waren. Nachdem ersten Analysen zeigten, dass Peptide und Aminosäuren in den Relikten vorhanden waren, suchten die Forscher gezielt nach DNA – und wurden tatsächlich fündig. „700.00 Jahre sind allerdings nicht spurlos an dem Material vorübergegangen“, erklärt Willerslev.

„Die Basenveränderungen waren teilweise enorm, in manchen Regionen war jede einzelne Cytosin-Base beschädigt“, berichtet Orlando. Um festzustellen, in welcher Reihenfolge die DNA-Fragmente zusammengehörten und Schäden auszugleichen, nutzen die Forscher das Genom heutiger Pferde als Blaupause. Mit Hilfe spezieller Computer-Algorithmen konnten sie so gleiche und veränderte Abschnitte so zuordnen und aneinanderfügen. Das so rekonstruierte Genom verglichen die Wissenschaftler dann mit dem Erbgut von sechs heute lebenden Pferderassen, dem Esel und dem Erbgut eines vor 43.000 Jahren lebenden Urpferds. Dadurch konnte sie die Evolution der Urpferde nachvollziehen und Rückschlüsse auf die Stammeslinien der heutigen Pferde und Pferdeverwandten ziehen.

Schädel des 700.000 Jahre alten Urpferds © D.G. Froese

Pferde entstanden vor vier Millionen Jahren

Aus den Vergleichen geht hervor, dass alle modernen Pferdeartigen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen, der vor 4 bis 4,5 Millionen Jahren lebte. Damit liegt die Wurzel von Zebra, Esel und Pferd doppelt so weit in der Vergangenheit als bisher angenommen, wie die Forscher berichten. Aus dem Erbgut geht zudem hervor, dass die Population der Urpferde im Laufe dieser Zeit mehrfach stark schwankte. Auch Informationen über die Abstammung des Przewalski-Pferdes liefern die neuen Daten. Demnach trennte sich seine Stammeslinie vor rund 50.000 Jahren von der der restlichen Pferdepopulation ab.

„Die Ergebnisse dieser Studie und die dabei eingesetzten Methoden eröffnen uns neue Türen für die Erkundung prähistorischer Lebewesen“, erklärt Willerslev. „Wir können nun zehnfach weiter in die genetische Vergangenheit schauen als zuvor.“ Auch die Menschheitsgeschichte könnte nun genauer erforscht werden. Allerdings lag die Wiege unserer Verfahren in Afrika – im Permafrost konservierte Relikte gibt es von Homo erectus und Co daher nicht. Die Herausforderung bestehe nun darin, die Techniken der DNA-Rekonstruktion mit Verfahren zu kombinieren, mit denen sich auch nicht tiefgekühltes Material isolieren und aufbereiten lasse, so die Forscher. (Nature, 2013; doi: 10.1038/nature12323)

(Nature / University of Copenhagen, 27.06.2013 – NPO)

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