Und nochmal das Thema Schönheit: Was finden wir in der Architektur ästhetisch und was nicht? Diese Fragen hat ein internationales Forscherteam in Bezug auf Innenräume und deren Formen untersucht. Das Ergebnis: Die Testteilnehmer fanden runde Räume deutlich schöner als eckige. Das zeigte sich auch im Gehirn: Denn bei der Betrachtung der runden Formen waren Zentren der Belohnung und des Wohlgefühls im Gehirn aktiver, wie die Forscher im Fachmagazin “ Proceedings of National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten.
Wir verbringen den größten Teil unseres Lebens in Innenräumen: In den USA sind es für die meisten Menschen fast 90 Prozent, in Europa kommen wir diesem Wert ebenfalls nahe. „Wir stellten uns die Frage, ob die ästhetischen Prinzipien, die bestimmen, wen, welche Dinge oder Kunstwerke wir ästhetisch ansprechend finden, auch bei der Beurteilung von Architektur eine Rolle spielen oder ob hier andere, eher nützliche Kriterien im Vordergrund stehen“, erklärt Studienleiter Helmut Leder von der Universität Wien. „Und natürlich interessiert uns, ob und wie das in der direkten Hirnaktivität ablesbar ist.“
Aus vorangegangenen Studien war bereits bekannt, dass runde Formen den meisten Menschen gut gefallen, während spitze Winkel eher instinktive Vermeidungsreaktionen auslösen. In ihrem neuen Experiment baten die Forscher nun ihre Versuchspersonen, Bilder von Innenräumen nach ihrer Schönheit zu beurteilen. Sie wurden zudem gefragt, ob sie diese Räume gern betreten würden oder nicht. Die Räume variierten in der Form – eher rund oder eckig – sowie in Höhe und Offenheit, beispielsweise in der Zahl und Größe der Fenster. Während die Versuchspersonen diese Aufgabe lösten, lagen sie in einem Hirnscanner, der die Aktivität verschiedener Areale aufzeichnete.
Wohlgefühl bei Räumen mit runden Formen
Das Ergebnis: Nach ihren Präferenzen befragt, beurteilten die Probanden Räume mit runden Formen als deutlich schöner als die eckigen Varianten. Das spiegelte sich auch in ihrer Gehirnaktivität wider: Bei der Betrachtung der runden Räume wurden verstärkt die Hirnregionen aktiv, denen man eine Belohnungsfunktion und generell angenehme Gefühle zuschreibt. Diese umfassen den orbitofrontalen Cortex, die Basalganglien sowie die vordere Insel und den ventralen anterioren cingulären Cortex.
Allerdings hatte die Formgebung keinen Einfluss darauf, welche Räume die Teilnehmer lieber betreten wollten. Auch fanden die Forscher keinen Hinweis darauf, dass runde Räume weniger Vermeidungsreaktionen auslösten, als dies typischerweise bei der Betrachtung von spitzen Gegenständen der Fall ist. Das deute darauf hin, dass es keine grundsätzliche, von der Evolution eingepflanzte Furcht vor eckigen Formen gebe, so die Forscher. Zusammenfassend zeige sich, dass auch in der Architektur die Form unser Schönheitsbewusstsein beeinflusst und dass schöne Formen positive Gefühle im Gehirn auslösen. (Proceedings of National Academy of Sciences“ (PNAS), 2013; doi: 10.1073/pnas.1301227110)
(Universität Wien, 12.06.2013 – NPO)