Neurobiologie

Partnerwahl hinterlässt Spuren am Erbgut

Forscher manipulieren Paarbindung bei Prärie-Wühlmäusen mittels Chemikalie

Prärie-Wühlmäuse bleiben ihrem ersten Partner ein Leben lang treu © Zuoxin Wang

Lebenslange Treue ist für Prärie-Wühlmäuse normal: Ihr erster Sexualpartner ist der Mann oder die Frau fürs Leben. Was aber sorgt dafür, dass es beim ersten Mal gleich „Klick“ macht? Den entscheidenden Schalter dafür haben US-amerikanische Forscher nun gefunden: am Erbgut. Ist ihre Wahl getroffen, verändern sich chemische Anlagerungen am Genom der Wühlmaus und schreiben dauerhaft ihre Vorliebe für nur diesen Partner fest. Im Experiment gelang es sogar, diesen Effekt per Injektion auszulösen – und die Mäuse so willkürlich auf einen Partner zu prägen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine solche pharmakologische Beeinflussung des Sozialverhaltens auch beim Menschen möglich sei, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Neuroscience“.

Die Prärie-Wühlmaus Microtus ochrogaster ist bei Verhaltens- und Neurobiologen besonders beliebt. Denn die kleine nordamerikanische Feldmausart gilt als Musterbeispiel für eine extrem monogame Paarbindung: Wenn sich ein Männchen und ein Weibchen finden und miteinander paaren, gilt dieser Bund fürs Leben. Bekannt ist bereits, dass zwei Hormone, Oxytocin und Vasopressin eine wichtige Rolle für diese Monogamie spielen. Denn blockiert man bei einer monogamen Prärie-Wühlmaus die Oxytocin-Produktion, wird aus dem zuvor treuen Partner ein Casanova, der sich wahllos mit allen verfügbaren Weibchen paart.

Mehr Oxytocin nach der Paarung

Unklar war bisher jedoch, wie die erste Paarung der Mäuse die Basis für ihre lebenslange Treue legt – also welche physiologischen Mechanismen dahinter stehen. Man weiß nur, dass nach dieser Paarung und damit nach abgeschlossener Partnerwahl beide Mäuse höhere Werte von Oxytocin und Vasopressin im Blut haben als vorher. Auch die Zahl der Andockstellen für diese Hormone im Gehirn der Tiere ist höher. Offenbar müssen die Gene hochreguliert worden sein, die diese Botenstoffe und Strukturen produzieren.

„In anderen Zusammenhängen, wie der Mutter-Kind-Bindung, hat man schon festgestellt, dass Störungen und Veränderungen im Haushalt dieser Hormone auf epigenetische Mechanismen zurückgehen können“, erklären Hui Wang und seine Kollegen von der Florida State University in Tallahassee. Bestimmte Anlagerungen am Erbgut sorgen demnach dafür, dass Gene nicht mehr oder nur noch eingeschränkt abgelesen werden. Diese Anlagerungen sind im Gegensatz zu den Genen selbst hoch variabel und können auch durch Umwelteinflüsse wie beispielsweise die Ernährung oder bestimmte Signalstoffe hinzugefügt oder abgebaut werden. Wang und seine Kollegen tippten daher auch bei der Partnerbindung der Prärie-Wühlmäuse auf eine epigenetische Ursache.

Partnerwahl auf die chemische Art

Um das zu prüfen, setzten die Forscher Prärie-Wühlmaus-Weibchen jeweils für sechs Stunden in einen Käfig, in dem sie über ein Drahtgitter engen Kontakt zu einem Männchen aufnehmen konnten. Das Drahtgitter sollte verhindern, dass sich die beiden Tiere paarten und so auf normale Weise eine Beziehung begannen. Ein Teil der Weibchen hatte vor dieser Kontaktphase eine Injektion mit Trichostatin A erhalten. Diese chemische Substanz blockiert ein Enzym, das epigenetische Anlagerungen an den Genen modifiziert, die die Andockstellen der beiden Hormone Oxytocin und Vasopressin produzieren.

Nachdem die Mäusedamen ihren Partner ausgiebig beschnuppern konnten, wurden sie für kurze Zeit wieder isoliert. Dann präsentierten die Wissenschaftler ihnen mehrere Männchen zur Auswahl: den bereits bekannten sowie einige ihnen unbekannte. Die Wühlmaus-Weibchen aus der Kontrollgruppe verhielten sich wie erwartet: Da ein bloßer Kontakt ohne ausgiebige Paarung nicht reicht, um eine Bindung einzugehen, behandelten sie alle Männchen gleich.

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Epigenetische Veränderungen nachgewiesen

Anders dagegen die Weibchen, die das Trichostatin A erhalten hatten: Sie liefen schnurstracks auf die ihnen bekannte Männchen zu und verhielten sich, als wäre dieser ihr lang vermisster Lebenspartner – obwohl der entscheidende Schritt zur Bindung, die Paarung, gar nicht stattgefunden hatte.

Woran das lag, enthüllte ein Blick ins Gehirn der Tiere: Die Chemikalie hatte dort tatsächlich Änderungen am Genom dieser Weibchen ausgelöst: In einem bestimmten Hirnareal trugen sie nun mehr Rezeptoren für die Bindungshormone Oxytocin und Vasopressin – weil die entsprechenden Gene chemisch freigelegt und damit aktiviert worden waren. „Da wir ähnliche epigenetische Modifikationen bei den Mäusen gefunden haben, die sich mit einem Partner paaren durften, scheint dies der Auslöser für das veränderte soziale Verhalten zu sein“, schlussfolgern die Forscher. Zum ersten Mal sei damit nachgewiesen, dass epigenetische Mechanismen die Partnerwahl und damit das Bindungsverhalten steuern.

Übertragbarkeit auf den Menschen nicht ausgeschlossen

Spannend ist das Ganze vor allem deshalb, weil die Wühlmäuse als Modell für menschliche Beziehungen und ihre hormonelle Basis gelten. Forscher gehen davon aus, dass auch bei uns die Hormone Oxytocin und Vasopressin eine wichtige Rolle bei Liebe, Lust und Paarbindung spielen. Ob allerdings auch beim Menschen der entscheidende „Klick“ bei der Partnerwahl sich epigenetisch manifestiert, muss erst noch geklärt werden.

Sollte das aber der Fall sein, halten es Wang und seine Kollegen durchaus für möglich, die Partnerwahl und das Bindungsverhalten durch Wirkstoffe zu manipulieren: „Unsere Daten ebenen den Weg für neue pharmakologische Möglichkeiten, soziales Verhalten zu beeinflussen“, konstatieren sie. Das allerdings dürfte wohl für die meisten eine eher gruselige Vorstellung sein. Statt Ringtausch könnte dann eines Tages eine gemeinsam geschluckte Pille die Partnerbindung zementieren… (Nature Neuroscience, 2013; doi: 10.1038/nn.3420)

(Nature Neuroscience, 03.06.2013 – NPO)

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