Paläontologie

Neuer Fossilfund rehabilitiert den Archaeopteryx

In China entdeckter Urvogel wirbelt den Vogel-Stammbaum erneut durcheinander

Fossil und Rekonstruktion des neuentdeckten Urvogels Aurornis xui © Jonica Dos Remedios/ Claude Desmedt/ IRSNB

Es ist gerade einmal zwei Jahre her, da stieß ein neuer Fossilfund den Archaeopteryx von seinem Thron: Der berühmte Urvogel wurde zum bloßen gefiederten Dinosaurier „degradiert“. Doch jetzt bekommt der berühmte Urvogel seine Revanche: Denn in China hat ein internationales Forscherteam erneut ein bisher unbekanntes Urvogel-Fossil entdeckt. Dieses sorgt nun dafür, dass der gerade erst neu konstruierte Stammbaum der Vögel erneut umgeworfen werden muss – diesmal zugunsten des Archaeopteryx, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Als im Jahr 1860 das erste Fossil des Archaeopteryx im Kalkstein von Solnhofen entdeckt wurde, hatte Charles Darwin gerade erst seine Theorie über die Entstehung der Arten veröffentlicht. Prompt geriet das so seltsam zwittrige Fossil – halb Reptil und halb Vogel – zwischen alle Fronten. Für die einen war es ein klarer Beweis einer direkten Abstammungslinie der Vögel von den Dinosauriern, für andere dagegen nur eine exotische Sonderform. Inzwischen ist längst klar, dass sich die heutigen Vögel tatsächlich einst aus Dinosauriern entwickelten.

Sturz einer Ikone

Auf welchem Wege dies aber geschah und wie die ersten echten Urvögel aussahen, ist noch immer umstritten. Dennoch galt der vor rund 150 Millionen Jahren lebende Archaeopteryx den meisten als einer der ersten Urvögel, als ein Seitenast an der Basis der sogenannten Avialae eingeordnet, dem Zweig des Vogelstammbaums, aus dem später die heutigen Vögel hervorgingen. Das änderte sich jedoch im Jahr 2011: Denn chinesische Forscher entdeckten in der Liaoning Provinz einen gefiederten Dinosaurier, der in vielen Merkmalen dem Archaeopteryx verblüffend ähnelte.

Neu entdecktes Fossil von Aurornis xui aus der Liaoning Provinz in China © Thierry Hubin/ IRSNB

Den 155 Millionen Jahre alten Xiaotingia zhengi ordneten die Wissenschaftler aber nicht bei den Urvögeln ein, sondern aufgrund bestimmter Knochenstrukturen bei den Deinonychosauriern, einer nicht zu den Vögeln führenden Seitenlinie des Stammbaums. Gleichzeitig aber hatte ihrer Ansicht nach damit auch der eng verwandte Archaeopteryx keinen Platz mehr unter den Urvögeln – auch er wurde in die Dino-Seitenlinie verbannt. Schon damals räumten die Forscher allerdings auch ein, dass ihr neuer Stammbaum noch der Bestätigung bedarf.

Echter Urvogel statt Federsaurier

Keine Bestätigung, sondern eine Widerlegung liefert jetzt jedoch das neue Fossil Aurornis xui. Entdeckt haben es Pascal Godefroid vom Königlich Belgischen Institut für Naturkunde in Brüssel und seine Kollegen in einer Gesteinsschicht aus dem Mittleren Jura. Das gut erhaltene Skelett stammt von einem rund 50 Zentimeter großen, ausgewachsenen Tier, das einem Urvogel sehr ähnelt. Um ganz sicher zu gehen, speisten die Forscher insgesamt 992 stammesgeschichtlich relevante Merkmale des Fossils in eine Vergleichsdatenbank ein. Dadurch konnten sie mit Computerunterstützung auswerten, in welche Position im Vogelstammbaum der neue Fund am besten einzuordnen ist.

So könnte der Urvogel Aurornis xu ausgesehen haben © Masato Hattori

Das Ergebnis: Aurornis ist demnach der bisher älteste Vertreter der Avialae, der Gruppe der Vögel und unmittelbaren Vogelvorfahren, wie die Wissenschaftler berichten. Unter anderem deshalb tauften sie das Fossil auch Aurornis – frei übersetzt Morgendämmerung der Vögel. „Gleichzeitig bestätigt unsere Auswertung den Status des Archaeopteryx als echter Urvogel und Mitglied der Avialae“, konstatieren Godefroid und seine Kollegen. Er sei damit mitnichten ein Deinonychosaurier und auch sein naher Verwandter Xiaotingia nicht.

Ihrer Ansicht nach zeigt die Neuordnung des Stammbaums stattdessen, dass die ersten Urvögel in der Region des heutigen Nordchina bereits mehrere verschiedene Formen entwickelt hatten. „Da die ersten Archaeopteryx-Fossilien in Deutschland gefunden wurden, müssen diese Ur-Urvögel bis zum Ende des Jurazeitalters sogar schon über weite Teile Eurasiens verbreitet gewesen sein“, schließen die Forscher. (Nature, 2013; doi: 10.1038/nature12168)

(Nature, 31.05.2013 – NPO)

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