Ein ungewöhnlicher Energiespeicher könnte künftig für Strom in windarmen Zeiten sorgen: Ein Pumpspeicherkraftwerk am Meeresgrund. Dieses nutzt den enormen Wasserdruck in der Tiefe, um damit Turbinen anzutreiben. Was ein bisschen wie eine Vision von Jules Verne klingt, will ein deutscher Ingenieur mit Hilfe einer norwegischen Forschungsorganisation bald realisieren. Einmal gebaut, könnte ein einziges dieser Untersee-Kraftwerke in nur acht Stunden genügend Strom für 200.00 Haushalte liefern.
Die Idee, die Kraft des Wassers als eine Art Stromspeicher zu nutzen ist nicht neu: Schon seit Jahrzehnten funktioniert dieses Prinzip bei den sogenannte Pumpspeicherkraftwerken. Wird mehr Strom in das Elektrizitätsnetz eingespeist als verbraucht wird, nutzt das Kraftwerk diese überschüssige Energie. Es pumpt damit Wasser aus einem im Tal liegenden Reservoir in ein höher gelegenes. Wird dann später wieder mehr Strom benötigt oder fallen andere Stromlieferanten aus, wird die im Wasser gespeicherte Energie wieder in Strom umgewandelt:
Das Wasser wird dann einfach aus dem oberen Reservoir wieder nach unten geleitet. Durch die Schwerkraft beschleunigt, treibt das Wasser dabei Turbinen und Generatoren an, die Strom produzieren. „Diese Art von Speicherkraftwerk fungiert damit als eine Art Batterie, die Schwankungen im Stromnetz ausgleichen kann“, erklärt Rainer Schramm, der nun eine ungewöhnliche Variante dieser Speicherkraftwerke erfunden hat. Der Luftfahrtingenieur hat eigens eine Firma gegründet, Subhydro AS, um seine Idee zu verwirklichen.
Wasserdruck als Antriebskraft
Auch bei seinem unterseeischen Speicherkraftwerk treibt das Wasser Turbinen an. Allerdings ist es nun nicht das Gefälle zwischen zwei Reservoiren, die für die nötige Kraft sorgt, sondern der Druckunterschied zwischen dem Wasser am Meeresgrund und dem Innenraum der Turbinenhalle. „Stellen Sie sich vor, Sie öffnen eine Luke in einem getauchten U-Boot. Das Wasser wird mit enormer Wucht ins innere schießen – genau das ist die Energie, die wir nutzen wollen“, erklärt Schramm. Ideal sei eine Lage in rund 400 bis 800 Metern Tiefe. Werde dann das Einlassventil zum Turbinentank geöffnet, schieße das Wasser hinein und treibe die Turbine an.
Ein solches Speicherkraftwerk mit mehreren hintereinander geschalteten Turbinentanks kann Schramms Berechnungen nach rund 300 Megawatt Strom in rund acht Stunden liefern – das reicht, um gut 200.000 Haushalte zu versorgen. Die Größe des Kraftwerks lässt sich aber flexibel anpassen, je nachdem, wie viele Tanks man hintereinander schaltet. Herrscht dann zu anderen Zeiten Energieüberschuss, wird Strom aus dem Netz genommen, um damit die Turbinenhallen am Meeresboden wieder leer zu pumpen. Die Speichereffizienz dieses unterseeischen Kraftwerks liege bei rund 80 Prozent, erklärt Schramm. Das entspreche in etwa denen eines herkömmlichen Pumpspeicherkraftwerks auf dem Land.
Speicher für Strom aus Offshore-Windanlagen
Wie der Ingenieur erklärt, liegt ein großer Vorteil dieser Meeres-Pumpspeicher darin, dass sie dort installiert werden können, wo beispielsweise Offshore-Windanlagen stehen. Produzieren diese mehr Strom als gebraucht, wird er im Speicherkraftwerk zwischengelagert. Herrscht dann Flaute auf dem Meer, kann der Unterseespeicher für Ausgleich sorgen und trotzdem Strom ins Netz einspeisen. Allerdings: Weite Teile der Nordsee sind für das Speicherkraftwerk zu flach – deshalb soll der Prototyp auch im tieferen Meer vor Norwegen entstehen.
Aber auch schwankende Stromproduktionen von beispielsweise Solaranlage an Land könnten nach Ansicht des Forschers durch solche Untersee-Speicher ausgeglichen werden. „Schon viele haben die Idee gehabt, den Druck am Meeresboden zur Energiespeicherung auszunutzen“, sagt Schramm. „Aber wir sind weltweit die ersten, die eine patentreife Technologie entwickeln, um dies auch tatsächlich möglich zu machen.“ Zusammen mit norwegischen Forschern will der Ingenieur nun daran arbeiten, seine Pläne konkret umzusetzen.
Neues Material soll Kraftwerk rentabler machen
„Die Herausforderung ist es, die optimale Balance zwischen Stabilität und Kosten zu finden“, erklärt Arne Martius-Hammer von der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF. Deshalb arbeiten er und seine Kollegen bereits daran, einen speziellen Beton zu entwickeln, mit dem die Wände der Turbinentanks dünn aber trotzdem ausreichend stabil gebaut werden können. „Wir müssen aber Bau und Installationskosten für das Kraftwerk erreichen, die diese Form der Energiespeicherung rentabel machen.“
Die Forscher planen, den verwendeten Beton statt mit Stahlträgern mit dünnen Stahlfasern zu verstärken. Das vereinfacht laut Martius-Hammer den Herstellungsprozess des Betons und senkt die Kosten. Wann der erste Prototyp am Meeresgrund vor Norwegen stehen wird, steht noch nicht fest. Schramm aber ist zuversichtlich, dass sein Konzept eine vielversprechende Möglichkeit ist, um künftig Energie zu speichern.
(SINTEF, 16.05.2013 – NPO)