Fledermäuse nutzen ihre Rufe nicht nur zur Orientierung und Beutejagd: Sie erkennen daran auch ihre Freunde – die Artgenossen, mit denen sie regelmäßig „abhängen“. Das jedenfalls legt eine Studie an den in Indien vorkommenden „Falschen Vampiren“ nahe. Im Experiment reagierten die Fledermäuse anders, wenn sie den Ruf eines ihnen bekannten Artgenossen hörten. Das deute darauf hin, dass es unter diesen Säugetieren auch individuelle Erkennung gibt, berichten deutsche Forscherinnen im Fachmagazin „Animal Cognition“.
Fledermäuse der Art Indischer Falscher Vampir (Megaderma lyra) mögen es gesellig: Tagsüber halten sich diese Tiere zu Hunderten gemeinsam in Höhlen auf. Aber auch nachts sind sie keine Einzelgänger: Immer wieder treffen sie sich in kleinen Sozialgruppen an sogenannten Nachthangplätzen. Dort hängen sie eng nebeneinander und häufig fast schon aneinander geschmiegt. Diese Körperkontakte zwischen einzelnen Tieren interpretieren Wissenschaftler als individualisierte Beziehungen – es sind sozusagen Freunde. Immer wieder haben Biologen beobachtet, dass vereinzelte Fledermäuse Rufe ausstoßen, die Mitglieder ihrer gewohnten Nachtquartiergruppe anziehen. Das deutet darauf hin, dass sich die einzelnen Tiere an ihrem Ruf erkennen.
Playback-Rufe als Erkennungstest
Ob das tatsächlich der Fall ist, wollten Hanna Kastein von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und ihre Kolleginnen genauer wissen und prüften dies in einem Experiment. Dafür verwendeten sie zwei Gruppen von Fledermäusen, die aus unterschiedlichen Populationen stammten und in zwei getrennten Flugräumen gehalten wurden. Innerhalb der ersten Wochen konnten die Wissenschaftlerinnen beobachten, wie die Tiere in ihrem jeweiligen Raum Nachthanggruppen bildeten und Körperkontakt aufnahmen.
Die Wissenschaftlerinnen isolierten einzelne Fledermäuse aus diesen Gruppen kurzzeitig, um deren Kontaktrufe aufzuzeichnen. Im eigentlichen Versuch setzten sie wieder Fledermäuse einzeln in einen Raum und spielten ihnen die aufgenommen Rufe anderer Artgenossen vor. Diese stammten entweder von Mitgliedern ihrer Gruppe, mit denen sie zuvor engen Körperkontakt hatte, von Mitgliedern ohne vorherigen Körperkontakt und von ihnen unbekannten Artgenossen aus der anderen Fledermausgruppe.
Unterschiede erst nach zweitem Anlauf
Es zeigte sich, dass spontan alle Fledermäuse mit einer Drehung zum Lautsprecher auf die Kontaktrufe reagierten – egal, ob diese von Körperkontaktpartnern, Nicht-Körperkontaktpartnern oder unbekannten Tieren stammten. „Unter diesen Umständen zeigen die Fledermäuse keine klare Präferenz für Rufe von Körperkontaktpartnern“, erklärt Kastein. „Offensichtlich haben Rufe von Artgenossen eine starke Wirkung auf diese sozialen Tiere, wenn sie vorübergehend isoliert werden.“
Dieser Versuch eignete sich daher nicht dazu festzustellen, ob die Tiere ihre Artgenossen an ihrer Stimme unterschieden können. Daher veränderten die Forscherinnen nun ihr Experiment. Sie
spielten den Fledermäusen zunächst wiederholt Rufe einer bekannten Fledermaus vor, bis diese nicht mehr auf die Rufe reagierten. Danach ertönte der Ruf eines anderen Gruppenmitgliedes, eines unbekannten Individuums oder aber der gleichen Fledermaus wie vorher. Jetzt zeigte sich: Die Tiere reagierten stärker auf Rufe anderer Individuen als auf die der vorher vorgespielten Fledermaus. „Dies beweist, dass die Fledermäuse die Stimmen unterscheiden“, sagt Kastein. Das lasse auch vermuten, dass die Tiere individuelle Beziehungen bilden. (Animal Cognition, 2013; doi: 10.1007/s10071-013-0628-9)
(Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, 08.05.2013 – NPO)