Geowissen

Macht der Klimawandel den Nordatlantik süßer?

Jahresringe im Skelett von Rotalgen sollen diese Frage künftig beantworten helfen

Wie salzig war der Nordatlantik früher? © NASA

Der Salzgehalt in Teilen des Nordatlantiks ist in den letzten Jahren messbar gesunken. Unklar ist aber, ob es sich um eine Folge des Klimawandels oder um eine natürliche Schwankung handelt. Historische Daten zum Vergleich gibt es nur sehr wenige. Jetzt hat ein internationales Forscherteam erstmals ein natürliches Klimaarchiv entdeckt, das diese Frage beantworten könnte: Rotalgen, deren Skelett den vergangenen Salzgehalt wiederspiegelt. Von ihnen erhoffen sich die Forscher nun mehr Aufschluss darüber, ob die aktuellen Schwankungen natürlich oder indirekt menschengemacht sind, wie sie im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.

In der Wissenschaft ist das Szenario noch umstritten, doch in der Populärkultur ist es dank einiger Katastrophenfilme wie „The day after tomorrow“ schon Allgemeingut. Die Rede ist von starken Klimaänderungen auf der Nordhalbkugel, wenn schmelzende Gletscher den Golfstrom abschwächen oder gar stoppen. Tatsächlich ist der Hauptantrieb für die großen Meeresströmungen – zu denen der Golfstrom gehört – ein kompliziertes System unterschiedlicher Salzkonzentrationen und Wassertemperaturen im Ozean. Wenn infolge des Klimawandels die Gletscher schmelzen und Niederschläge auf der Nordhalbkugel zunehmen, würde mehr Frischwasser in den Nordatlantik gelangen und könnte – so die Idee – dieses System durcheinander bringen.

Aktuelle Messungen scheinen diese Annahmen zu bestätigen. In einigen Bereichen des Nordatlantiks ist in den vergangenen Jahren wirklich ein Versüßungstrend messbar. „Wir wissen aber nicht, wie groß dabei der Anteil des Klimawandels ist und welchen Anteil natürliche Schwankungen haben“, erklärt Steffen Hetzinger vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Lange Messreihen könnten helfen, diese Frage zu klären. „Doch es gibt keine, die weiter als bis 1950 zurückreichen. Das ist für zuverlässige Aussagen nicht lang genug“, ergänzt der Kieler Geowissenschaftler.

Algen der Art Clathromorphum compactum. © S. Hetzinger / GEOMAR

Rotalgen mit Jahresringen

Eine zweite Möglichkeit ist, natürliche Klimaarchive mit einer hohen Auflösung zu Rate zu ziehen. Doch auch die fehlten bisher in den relevanten Regionen der hohen nördlichen Breiten. Hetzinger und Kollegen aus mehreren Ländern haben nun ein solches Klimaarchiv entdeckt – am Meeresboden vor Neufundland. Vor Quirpon Island im Nordosten und in der Nähe von St. Johns an der Südostküste Neufundlands wachsen Rotalgen der Art Clathromorphum compactum. Im Gegensatz zu frei im Wasser treibenden Algen bildet diese Alge ein festes Kalkgerüst am Meeresboden. Ein Schnitt durch eine Alge offenbart Jahresbänder ähnlich den Jahresringen von Bäumen. Allerdings wachsen diese Algen extrem langsam, so dass die gezielte Beprobung bestimmter Wachstumsjahre äußerst präzise geschehen muss.

Mit Hilfe von Spezialmikroskopen und Laserablation haben die Wissenschaftler Schwankungen von Barium und Calcium in den Wachstumsbändern der Algen gemessen. „Damit ist es endlich möglich, vergangene Schwankungen der Frischwasserzufuhr in den Nordatlantik hoch auflösend zu rekonstruieren“, sagt Hetzinger. „Aus dem Verhältnis dieser zwei Elemente konnten wir sehr genau Änderungen im Frischwassereintrag in das Oberflächenwasser bis zurück ins Jahr 1918 nachvollziehen.“

Weiter in die Vergangenheit

Zur Kontrolle verglichen die Forscher ihre Ergebnisse mit den Daten einer ozeanographischen Beobachtungsstation, die seit 1950 in der Nähe von St. Johns betrieben wird. Die dort gemessenen Schwankungen im Oberflächen-Salzgehalt des Nordwest-Atlantiks stimmten mit den Ergebnissen aus den Algenproben überein. „Da Clathromorphum compactum im gesamten arktischen und subarktischen Raum verbreitet ist, bietet diese Methode die Möglichkeit, an vielen Schlüsselstellen der großen Meeresströmungen Schwankungen des Salzgehalts in der Vergangenheit zu rekonstruieren“, sagt Hetzinger.

Nächstes Ziel der Wissenschaftler ist es, noch weiter in die Vergangenheit vorzustoßen. „Je größer der Zeitraum den wir abdecken, desto eher können wir sagen, ob aktuelle Änderungen des Salzgehaltes in ein natürliches Schwankungsmuster passen oder doch als Folge des menschlichen Einflusses gewertet werden müssen“, betont der Forscher. (Scientific Reports, 2013; doi: 10.1038/srep01761)

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 03.05.2013 – NPO)

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