Sie sind winzig, 1,9 Milliarden Jahre alt und wurden beim Fressen vom Tod überrascht: Forscher haben in Kanada Fossilien entdeckt, die das älteste Zeugnis des „Fressen und Gefressen werden“-Prinzips des Lebens liefern. Denn die versteinerten Mikroben waren gerade dabei, eine Blaualge zu vertilgen. Das extrem feinkörnige Silikatgestein hat diesen frühesten Beleg für eine solche heterotrophe Lebensweise bis heute konserviert, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.
Bis heute unterscheiden Biologen Lebewesen danach, wie sie sich ernähren: Pflanzen sind autotroph, sie nutzen das Licht der Sonne um energiereiche organische Verbindungen zu produzieren. Zu den ersten Vertretern dieser Gruppe gehörten schon in der frühen Urzeit die Blaualgen, auch als Cyanobakterien bezeichnet. Die zweite große Gruppe, zu der auch wir Menschen gehören, sind die heterotrophen Organismen: Sie ernähren sich von den Produkten anderer Lebewesen, von Pflanzen aber auch Tieren.
Verräterische Löcher in Algenhülle
„Es hat zwar bereits chemische Indizien dafür gegeben, dass diese Art der Ernährung schon 3,5 Milliarden Jahre existieren muss“, erklärt Martin Brasier von der Oxford University. „Aber dies ist das erste Mal, dass wir direkt identifizieren können, wer damals wen fraß und wie.“ Das Forscherteam hatte Gesteine am Ufer des Lake Superior in Kanada mit Hilfe modernster Techniken und Mikroskope nach Spuren von winzigen Urzeit-Lebewesen durchsucht. Das dort vorkommende sehr feinkörnige Gestein entstand aus Ablagerungen silikatreicher Sedimente und hat selbst Mikroben über Jahrmillionen konserviert.
In den Gesteinsproben entdeckten die Forscher die Hüllen von länglichen Blaualgen der Gattung Gunflintia, die verdächtig viele Löcher aufwiesen. Das deute darauf hin, dass diese Cyanobakterien von Mikroben angegriffen und gefressen worden seien, sagen die Forscher. Die Algenhüllen seien die Reste dieser urzeitlichen Mahlzeit. In einigen Gunflintia-Fossilien waren zudem Clustern von noch kleineren stäbchenförmigen Bakterien zu erkennen, die offenbar gerade dabei waren, ihren Wirt zu verzehren.
Geruch nach faulen Eiern
Die Funde lieferten sogar einen Aufschluss darüber, wie es damals, vor rund 1,9 Milliarden Jahren, an dieser Stelle gerochen haben muss. Denn an vielen Stellen stießen die Forscher auf Eisensulfid-haltige Ablagerungen. Diese sind ein Abfallprodukt von sulfatreduzierenden Bakterien – und ein weiteres Produkt ihrer Abbautätigkeit ist der ziemlich unangenehm stinkende Schwefelwasserstoff. „Es muss damals also hier nach faulen Eiern gerochen haben“, so die Forscher.
„Die Gunflint-Fossilien bestätigen damit, dass es solche Schwefel-Bakterien bereits vor 1,9 Milliarden Jahren auf der Erde gab“, erklärt Studienleiter David Wacey von der University of Western Australia. Und sie belegten auch, dass diese Bakterien bereits wählerisch darin waren, was sie fraßen. Denn sie bevorzugten die Gunflintia-Blaualgen als Futter, obwohl nahebei auch andere, als Nahrung geeignete Mikroben vorkamen.
(University of Oxford / PNAS, 30.04.2013 – NPO)