Geowissen

Innerer Erdkern ist heißer als gedacht

Neues Experiment korrigiert Temperaturen um tausend Grad nach oben

Forscher blickt auf die offene Probenkammer mit den Diamantpressen © ESRF/Blascha Faust

4.000 Grad? 6.000 Grad? Oder gar mehr als 7.000? Wie heiß es im inneren Erdkern tatsächlich ist, war bisher unklar. Unter anderem, weil ein vor 20 Jahren durchgeführtes Experiment auf deutlich niedrigere Werte kam als die theoretischen Berechnungen. Mehr Klarheit liefert jetzt ein erneutes Experiment französischer Forscher. Sie korrigieren den früheren Messwert um tausend Grad nach oben. Dies trägt dazu bei, Theorie und Beobachtungen zu versöhnen, wie sie im Fachmagazin „Science“ berichten.

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Er ist die Triebkraft und der Motor unseres Planeten: Ohne den Erdkern, gegliedert in einen festen inneren und einen flüssigen äußeren Teil, hätte die Erde kein schützendes Magnetfeld, keine Vulkane und auch keine driftenden Kontinentalplatten. Denn erst die Bewegung des flüssigen Eisen-Nickel-Gemischs um den festen Innenkern und der große Hitzesprung vom Kern zum darüber liegenden Erdmantel lässt diese Phänomene entstehen. Aus Modellen geht hervor, dass im äußeren Erdkern Temperaturen von mindestens 4.000 Grad Kelvin herrschen müssen und ein Druck von mehr als 1,3 Millionen Atmosphären. Weiter innen aber, im Zentrum des Planeten, wird es noch extremer. Aus indirekten Messungen mit Hilfe von Erdbebenwellen geht hervor, dass dort wahrscheinlich ein Druck von rund 3,3 Millionen Atmosphären (330 Gigapascal) herrscht.

„Wie heiß es dort ist, lässt sich durch diese Messungen aber nicht ermitteln“, erklären Simone Anzellini vom französischen Kommissariat für Energieforschung in Arpajon und ihre Kollegen. Doch genau diese Temperatur ist entscheidend für nahezu alle Modelle der geophysikalischen Prozesse, an denen der Erdkern beteiligt ist. Unter anderem deshalb haben zahlreiche Forschergruppen bereits versucht, diesen Wert theoretisch, beispielsweise durch thermodynamische Modellierung zu berechnen.

Mini-Erdkern im Labor

Ein anderer Ansatz ist es, die Bedingungen im inneren Erdkern im Labor nachzubilden und zu prüfen, ab wann Eisen bei einem Druck wie im inneren Kern schmilzt. Dabei war es bisher allerdings schwer, den genauen Schmelzpunkt akkurat zu bestimmen, was die Messungen ungenau machte. Unter anderem deshalb lieferten sowohl theoretische als auch praktische Studien bisher stark voneinander abweichende Ergebnisse. „Die geschätzten Werte schwanken zwischen 4850 und 7.600 Kelvin“, so die Forscher.

Um hier mehr Klarheit zu schaffen, führten Anzellini und ihre Kollegen nun ein Laborexperiment durch, bei dem sie einen neue Technik nutzten, um den Schmelzpunkt des Eisens genauer als bisher möglich zu bestimmen. Dafür legten sie ein winziges Klümpchen Eisen genau zwischen die Spitzen zweier Diamantstempel – nur dieses Material ist hart genug, um den gewaltigen Drücken zu widerstehen. Beide Diamantspitzen wurden dann langsam immer stärker zusammengepresst, bis der Druck zwischen ihnen mehr als zwei Millionen Atmosphären entsprach. Ein Laserstrahl heizte währenddessen das in einer isolierten Probenkammer installierte Ensemble auf Temperaturen von 3.000 bis 5.000 Kelvin auf. Ziel war es, genau die Hitze zu finden, bei der das Eisenklümpchen unter dem jeweiligen Druck anfing zu schmelzen.

Röntgenstrahl klärt Schmelzpunkt

Und genau an diesem Punkt kam nun die Neuerung ins Spiel: Die Forscher nutzten einen ultrafeinen Röntgenstrahl, um die Struktur des Eisens zu beobachten. Anhand des Beugungsmusters der Strahlen konnten sie fast bis auf die Sekunde genau feststellen, wann sich die Anordnung der Eisenatome änderte und sie vom kristallinen zum flüssigen Zustand übergingen. Das Ergebnis: Bei 2,2 Millionen Atmosphären Druck lag der Schmelzpunkt des Eisenklümpchens bei rund 4.800 Kelvin – höher kommen die Apparaturen nicht. Doch anhand der ermittelten Messkurven für verschiedene Drücke und Temperaturen konnten die Forscher auf die Bedingungen der Grenze zwischen innerem und äußerem Erdkern hochrechnen. Sie kamen dabei auf 6.230 Kelvin – mit möglichen Abweichungen von 500 K nach oben oder unten.

„Unser Wert liegt damit rund 1.000 Kelvin höher als der vorheriger Experimente“, konstatieren Anzellini und ihre Kollegen. Er passe damit deutlich besser zu den bisherigen theoretischen Berechnungen und enge die Spannbreite der möglichen Kerntemperaturen weiter ein. Auch mit den Modellen zum Wärmetransport vom Kern zum unteren Erdmantel stimmt der neue Wert gut überein und liefert daher eine gute Basis für weitere Untersuchungen. (Science, 2013; doi: 10.1126/science.1233514)

(Science, 29.04.2013 – NPO)

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