Zum ersten Mal hat eine internationale Forscherkollaboration das Klima der Vergangenheit Kontinent für Kontinent aufgeschlüsselt. Die Datenreihe der letzten 2.000 Jahre zeigt unter anderem, dass es in Europa schon einmal so warm war wie heute und dass die Klimaerwärmung der letzten 30 Jahre einen langfristigen Abkühlungstrend unterbrochen hat. Zudem gibt es deutliche Unterschiede zwischen der Nord- und Südhalbkugel, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Dieser Aufwand sucht in der Klimaforschung seinesgleichen: Rund 80 Forscher aus der ganzen Welt haben in einem der größten je zur Rekonstruktion des Klimas geleisteten Projekt Klimadaten aus allen Kontinenten ausgewertet. Sie benutzten Informationen aus Meer- oder Seesedimenten, aus Gletschern, aus Tropfsteinen oder aus Jahrringen von Bäumen. Damit konnten sie erstmals die Temperaturentwicklungen der letzten tausend bis zweitausend Jahre für sechs Kontinente – die Antarktis, Südamerika, Nordamerika, Australien, Asien, Europa – und die Arktis rekonstruieren und vergleichen. Die verwendeten Daten weisen zumeist eine jährliche Auflösung auf.
Die Besonderheit der Studie liegt darin, dass sie fast alle Kontinente abdeckt und vergleicht. „Noch vor wenigen Jahren“, so Ulf Büntgen von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, „hätte man eine einzige weltweite Temperaturreihe angestrebt. Heute weiß man, wie wichtig ein besseres Verständnis der regionalen Unterschiede ist.“ Der Vergleich der Temperaturentwicklung über die Kontinente hinweg zeigt, dass die Temperaturen je nach Erdteil in spezifischen Mustern schwankten. Dabei waren die Gemeinsamkeiten innerhalb der Hemisphären deutlich größer als jene zwischen Norden und Süden.
Langfristig Abkühlung, kurzfristig Erwärmung
„Markante Perioden wie die Mittelalterliche Wärmeanomalie oder die Kleine Eiszeit treten zwar regional hervor, zeigen jedoch global kein einheitliches Bild“, sagt Heinz Wanner, emeritierter Professor für Klimatologie an der Universität Bern und einer der Koordinatoren des Projekts. So fielen in der Mitte des letzten Jahrtausends die Temperaturen zwar überall unter den langfristigen Mittelwert. Dies geschah in der Arktis, in Europa und in Asien jedoch Jahrzehnte früher als in Nordamerika und auf der Südhemisphäre, was möglicherweise auf die dämpfende Wirkung der Ozeane zurückzuführen ist.
Die Auswertung ergab, dass es auf allen Kontinenten in den vergangenen 2.000 Jahren einen langfristigen Abkühlungstrend gab. Für diesen waren wahrscheinlich neben Veränderungen der Erdbewegung auch Gruppen von Vulkaneruptionen, Schwankungen der Solaraktivität und Oberflächenveränderungen verantwortlich. Diese Abkühlung ging erst am Ende des 19. Jahrhunderts zu Ende. Die Erwärmung der jüngsten Zeit, so die Studie, hat diese langfristige Abkühlung aufgehoben. Die Analyse der gewichteten Mittelwerte über 30-jährige Perioden ergibt, dass die globale Durchschnittstemperatur in den letzten 1.400 Jahren wahrscheinlich nie höher lag als 1971 bis 2000. Einzig in der Antarktis blieb es kalt.
Kein Rekord für Europa
Regional betrachtet stellen die gegenwärtigen Temperaturen allerdings nicht überall auf der Welt Rekordwerte dar. In Europa zum Beispiel war die Zeit zwischen 21 und 80 nach Christus möglicherweise wärmer als die Periode von 1971 bis 2000. Die Erwärmung des 20. Jahrhunderts war zudem auf den Nordkontinenten im Mittel doppelt so groß wie auf jenen der Südhemisphäre.
Kühlere Perioden traten zwischen den Jahren 830 und 1910 besonders markant bei schwacher Sonnenaktivität und starken tropischen Vulkanausbrüchen auf. Diese beiden Phänomene zeigten sich zudem im zweiten Millennium oft gemeinsam. Zwischen 1251 und 1820 konnten in mehreren Regionen typische Abkühlungsphasen mit einer Länge von 30 bis 90 Jahren unterschieden werden.
(Universität Bern, Nature Geoscience, 22.04.2013 – NPO)