Evolution

Quastenflosser: Erbgut des „lebenden Fossils“ sequenziert

Urzeitfisch liefert wertvolle Einblicke in die Entstehung der ersten Landwirbeltiere

Ein fossiler Quaastenflosser (Macropoma willemoesi) © Ghedoghedo / CC-by-sa 3.0

Forscher haben das Erbgut eines der berühmtesten „lebenden Fossilien“ entschlüsselt – das Genom des Quastenflossers. Der Fisch mit den stämmigen, beinähnlichen Flossen gleicht demnach nicht nur äußerlich einer Übergangsform aus Fisch und Vierbeiner. Auch sein Genom ähnelt in vielen Bereichen bereits denen der Landwirbeltiere, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Die Sequenzierung der knapp drei Millionen Basenpaare langen DNA zeigt aber auch, dass unsere Vorfahren nicht aus einem urzeitlichen Quastenflosser hervorgingen, sondern aus der Gruppe der ähnlich aussehenden Lungenfische.

Lange dachte man, eine Gruppe fossiler Knochenfische mit seltsamen, beinähnlichen Flossen wäre längst ausgestorben. Im Jahr 1938 folgte dann die Sensation: Vor der afrikanischen Küste war ein Fisch aufgetaucht, der exakt aussah wie die fossilen Quastenflosser vor über 300 Millionen Jahren. Latimeria chalumnae kommt im Meeresgebiet zwischen den Komoren und Madagaskar in einer Tiefe von 150 bis 400 Metern vor. Die bis zu zwei Meter langen und 100 Kilogramm schweren Tiere leben dort vorwiegend in Höhlen. Fortan galt Latimeria chalumnae als „lebendes Fossil“. 1997 wurde noch eine zweite Art der Quastenflosser entdeckt, die in indonesischen Meeresgebieten lebt.

Lungenfisch oder Quastenflosser?

Sein urtümliches Aussehen und die mehrstrahligen Flossen warfen schon früh die Frage auf, ob es sich bei dem urzeitlichen Quastenflosser um den Vorfahren der ersten Landwirbeltiere handeln könnte. Es war aber auch noch ein zweiter Kandidat im Rennen: der Lungenfisch. Auf dieser Verwandte der Quastenflosser wies Merkmale auf, die ihn als potenziellen Urahn der Landgänger prädestinierten. „Die Frage, welcher lebende Fisch am engsten mit dem ersten an Land kriechenden Wirbeltier verwandt ist, hat unsere Vorstellung schon seit langem beschäftigt“, erklären Chris Amemiya vom Benaroya Research Institute in Seattle und seine Kollegen. Um eine Antwort zu finden, haben sie nun das Erbgut von Latimeria chalumnae sequenziert und mit Teilen der DNA der Lungenfische und Wirbeltiere verglichen.

Das Ergebnis der Analysen bestätigt, was viele Forscher schon vermutet haben: Nicht der Quastenflosser, sondern der Lungenfisch ist der nächste Verwandte der Landwirbeltiere. Aber auch das Erbgut des Quastenflossers weist in vielen Bereichen Ähnlichkeiten zu dem von Landwirbeltieren auf – und viele entscheidende Unterschiede. Sie geben einen Einblick darin, wie die Evolution es schaffte, die Urzeit-Wirbeltiere für den Landgang fit zu machen.

Landgang spiegelt sich im Umbau des Erbguts

„Für die Anpassung an ein Leben an Land mussten sich viele Gene verändern“, sagt Amemiya. Gegenüber dem Urzeit-Fisch änderten sich beispielsweise bei den Vierbeinern Gene für den Geruchssinn – einleuchtend, da die Ausbreitung und Wahrnehmung von Duftstoffen in Luft anders erfolgt als in Wasser. Auch die Ausscheidung von Stickstoff musste wich an das neue Medium anpassen – statt Ammoniak schieden Landtiere den weniger giftigen Harnstoff aus.

Viele Gengruppen wurden beim Übergang auf das Land auch einfach umgewidmet, wie die Analysen zeigen. So besaß auch der Quastenflosser schon eine Sequenz, die später bei Hände und Füße bei den Vierbeinern ausbildet, sie war bei ihm nur auf andere Weise aktiv. Seltsamerweise fehlte dem Urzeitfisch auch eine wichtige Gruppe von Immunmolekülen, wie die Gene enthüllten. Wie er sich gegen Krankheitserreger wehrte, ist daher noch völlig unklar. „Dies sind nur die Ergebnisse der ersten Analysen. Zukünftige werden uns mehr Einblicke geben können, welche Mechanismen zur Entstehung der Landlebewesen geführt haben“, erklären die Forscher.

Lebendes Fossil mit extrem langsamer Entwicklung

Wie die Forscher berichten, hat sich das Erbgut des Quastenflossers zudem im Laufe der Evolution nur extrem langsam verändert. Das erklärt, warum der Urzeitfisch sein archaisches Aussehen seit Jahrmillionen kaum verändert hat. Vermutlich war das auch nicht nötig, denn in seinem Lebensraum hat sich im Laufe der Zeit kaum etwas verändert, Konkurrenten, die einen Selektionsdruck ausüben könnten, besaß der Quastenflosser auch kaum. Nach Ansicht der Forscher konnte sich deshalb sein uralter Bauplan über Millionen von Jahren als Erfolgsmodell halten. (Nature, 2013; doi:10.1038/nature12027)

(Nature / Broad Institute, 18.04.2013 – NPO/MVI)

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