Klima

Eisbohrkern entpuppt sich als „Rosetta-Stein“ des Klimas

Andengletscher erlaubt bisher genaueste Klimarekonstruktion der letzten 1.800 Jahre

Deutlich sind am Quelccaya Gletscher in Peru die Jahresschichten zu erkennen: Jeweils eine helle und eine dunkle Schicht zusammen ergeben ein Jahr © Lonnie Thompson / Ohio State University

Auf einer 5.470 Meter hohen Hochebene der Anden haben Forscher das bisher beste Archiv der tropischen Klimageschichte entdeckt: Sie bargen einen Eisbohrkern, dessen Schichten das Auf-und-Ab der Temperaturen in den letzten 1.800 Jahren extrem genau dokumentieren. Wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten, eignet sich dieser Eisbohrkern deshalb – wie eine Art „Stein von Rosetta“ – dazu, auch andere Archive und Indizien für das tropischen Klima der Vergangenheit zu eichen und einzuordnen.

Eis nahe des Äquators – das gibt es nur an sehr wenigen Orten. Mit über 40 Quadratkilometern Ausdehnung ist die Quelccaya-Eiskappe das größte tropische Eisfeld der Welt. Sie befindet sich in den peruanischen Anden, rund 5.470 Meter über dem Meeresspiegel. In dem Eis dieses Gipfelgletschers haben sich im Laufe der Zeit klar definierte Schichten gebildet, ähnlich wie die Jahresringe eines Baumes. Die Jahresschichten im Eis der Quelccaya-Kappe lassen sich leicht an jeweils aufeinanderfolgenden hellen und dunklen Abschnitten erkennen. Der weiße Teil entsteht jeweils in der jährlichen Regenzeit, wenn viel Schnee fällt, der dunkle dagegen in der Trockenzeit, wenn sich angewehter Staub auf den Eisflächen ansammelt

Eisiges Klimaarchiv in luftiger Höhe

Und noch etwas macht das Eis dieses Gletschers so interessant: Die Quelccaya-Kappe liegt im Einflussbereich gleich zweier Regionen. Der meiste darin als Eis gespeicherte Niederschlag kommt aus dem Osten und stammt von der feuchten Luft, die aus dem Amazonasbecken aufsteigt. Aber auch der Einfluss des westlich gelegenen Pazifiks spiegelt sich deutlich im Eis wider. Vor allem das bekannte Klima-Phänomen „El Niño“ macht sich dabei bemerkbar, das durch veränderte Strömungen und Temperaturbedingungen im System des äquatorialen Pazifiks gekennzeichnet ist.

Ein Team um das Forscher-Ehepaar Lonnie Thompson und Ellen Mosley-Thompson von der Ohio State University in Columbus hat nun aus diesem Eisarchiv Bohrkerne gefördert, in denen sich die tropische Klima-Geschichte der letzten 1.800 Jahre in beispielloser Genauigkeit widerspiegelt..

Blick auf die rund 5.470 Meter hoch liegenden Quelccaya Eiskappe. © Edubucher / CC-by-sa 3.0

Rosetta-Stein der tropischen Klimageschichte

„Wir haben seit 30 Jahre Eisbohrkerne überall in den Tropen geborgen“, sagt Lonnie Thompson. „Deshalb wissen wir, dass dies das längste und hochauflösendste im Eis konservierte Klimaarchiv ist, das vermutlich jemals geborgen werden wird.“ Der Eisbohrkern bietet den Forschern damit die Möglichkeit, die Klimageschichte der Tropen so detailreich wie nie zuvor zu entschlüsseln.

Gleichzeitig könnte er dazu dienen, Daten auch von anderen tropischen Eisproben besser zu interpretieren und quasi zu „eichen“. Tatsächlich offenbarten die Analysen bereits spannende Übereinstimmungen mit der chemischen Zusammensetzung von bestimmten Schichten von Eisbohrkernen, die das Team bei Expeditionen im Himalaya gewonnen hatte. Die Bohrkerne von der Quelccaya-Eiskappe könnten somit zu einer Art „Rosetta-Stein“ der Klimageschichte avancieren – in Anlehnung an den ägyptischen Inschriften-Stein, der einen Text in Hieroglyphen sowie Altgriechisch und Demotisch präsentiert und somit maßgeblich zur Übersetzung der ägyptischen Hieroglyphen beitrug.

Mühsamer Treck durch die Hochanden

Bis es allerdings zur Bergung dieses „Rosetta-Steins“ kam, war einiges an Vorarbeit nötig: Im Jahr 1983 hatte das Forscherteam schon einmal Proben aus dem Eis der Quelccaya-Kappe gezogen. Doch durch die Abgelegenheit des Ortes und die damalige Ausrüstung war es zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen, die Bohrkerne zu konservieren. Die nächste Straße war eine zweitägige Wanderung von der Eiskappe entfernt, so waren die Forscher gezwungen, die Eisbohrkerne vor Ort zu schmelzen und als flüssige Proben mitzunehmen. Dies machte detailliertere Untersuchungen damals unmöglich. „Wir wussten, dass das Eis noch viel mehr Informationen bietet“, berichtet Mosley-Thompson.

Bei der erneuten Probennahme 2003 hatten sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert: Jetzt war die Eiskappe nur noch sechs Stunden zu Fuß von einer neuen Zufahrtsstraße entfernt. Dort hatten die Forscher einen LKW mit Gefriersystem abgestellt, der die kostbaren Eisbohrkerne in Empfang nahm. Gut gekühlt konnten sie dann den restlichen weiten Weg bis ins Labor transportiert werden – und die wichtigen Detailinformationen blieben erhalten. (Science, 2013; doi: 10.1126/science.1234210)

(Science / Ohio State University, 05.04.2013 – MVI)

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