Unsere innere Uhr ist vielleicht leichter manipulierbar als wir glauben. Denn US-Forscher haben jetzt erstmals ein Tier entdeckt, bei dem die in ihm lebenden Bakterien bestimmen, wann eines seiner Uhrengene an- oder ausgeschaltet wird. Signalstoffe der Mikroben steuern den Tagesrhythmus des Hawaiianischen Zwergtintenfisch Euprymna scolopes, berichten sie im Fachmagazin „mBio“. Da wir Menschen das gleiche Uhrengen besitzen wie die Tintenfische, könnten auch unsere bakteriellen Mitbewohner im Darm unsere innere Uhr beeinflussen.
Der auch als Hawaiian Bobtail Squid bekannte Zwergtintenfisch Euprymna scolopes ist nur rund drei Zentimeter groß und lebt in den flachen Küstengewässern Hawaiis. Dort erbringt er den Tag eingegraben im schützenden Sand und wagt sich nur nachts auf Futtersuche. Dabei schwimmt er nahe der Wasseroberfläche und frisst vor allem Garnelen. Für Fressfeinde, die sich ihm von unten nähern, wie beispielsweise Robben, wäre der Tintenfisch dann eine leichte Beute: Denn seine dunkle Körperform zeichnet sich deutlich gegen die vom Mondlicht erhellte Wasseroberfläche ab. Deshalb hat er ein Gegenmittel entwickelt: Er nimmt Bakterien der Art Vibrio fischeri in sein Lampenorgan auf und lebt fortan in Symbiose mit diesen Mikroben. Er bietet ihnen Schutz und Nahrung, sie leuchten dafür nachts mittels Biolumineszenz bläulich und lassen den Tintenfisch so optisch mit der hellen Wasseroberfläche verschmelzen.
Uhrengen im Leuchtorgan
Wie alle Tiere, besitzt auch der Zwergtintenfisch eine innere Uhr: Die Aktivität bestimmter Gene schwankt dabei im 24-Stunden-Rhythmus. Die von ihnen produzierten Proteine, auch Cryptochrome genannt, verraten seinem Stoffwechsel, wann es Abend ist und damit Zeit, auf Futtersuche aufzubrechen. Margaret McFall-Ngai von der University of Wisconsin in Madison und ihre Kollegen haben nun erstmals genauer untersucht, wie diese innere Uhr reguliert wird – und stellten Erstaunliches fest: Eines der Cryptochrom-Gene wird beim Zwergtintenfisch zwar wie erwartet vom Gehirn reguliert. Das andere Uhrengen, escry1, aber war im Leuchtorgan am aktivsten – dort, wo auch die Bakterien sitzen.
„Seltsamerweise schwankt die Aktivität dieses Gens nicht in Abhängigkeit von der Helligkeit oder Dunkelheit der Umgebung“, berichten die Forscher. Stattdessen werde es immer dann aktiv, wenn die symbiotischen Vibrio fischeri Bakterien ihre Biolumineszenz hochfahren. Aber was ist das bestimmende Signal für die Uhrengen-Aktivität? Theoretisch wäre es möglich, dass das Gen einfach auf das von den Bakterien erzeugte Licht reagiert, wie McFall-Ngai und ihre Kollegen erklären. Es könnte aber auch sein, dass die Bakterien selbst aktiv dazu beitragen, das Gen anzuschalten.
Licht allein reicht nicht
Um herauszufinden, welche Variante beim Zwergtintenfisch zutrifft, führten die Forscher mehrere Experimente durch. Im ersten entfernten sie alle Bakterien aus dem Leuchtorgan der Tintenfische und beobachteten, ob dann das Uhrengen ansprang. Das war nicht der Fall. Dann bestrahlten sie die bakterienlosen Tiere von außen mit bläulichem Licht, wie es normalerweise von den Mikroben produziert wird. Auch darauf reagierte das Uhrengen im Leuchtorgan nicht.
Als die Wissenschaftler dem Tintenfisch aber Vibrio fischeri Bakterien einimpften, denen per Genmanipulation die Leuchtkraft genommen worden war, sprang die innere Uhr des Tieres an. Das spreche dafür, dass es die Bakterien selbst beziehungsweise ein von ihnen abgesonderter Stoff sein müsse, der dieses Gen anrege, schlussfolgern die Forscher. Welche Substanz als Signalüberträger zwischen Mikroben und Tintenfisch-Gen diente, zeigte ein weiterer Test. Gaben die Forscher Moleküle ins Aquariumswasser, mit denen die Bakterien normalerweise ihre Präsenz anderen Artgenossen anzeigen, knipste dies die Aktivität des Uhrengens escry1 tatsächlich an – auch dann, wenn der Tintenfisch keine Mikroben mehr besaß.
Uhren-Manipulation auch in unserem Darm?
„Unseres Wissens nach ist das der erste Bericht über Bakterien die die Tagesrhythmen ihres Wirts steuern“, konstatiert McFall-Ngai. Dieser Fund sei besonders spannend, weil alle Tiere und auch der Mensch das Uhrengen escry1 besitzen. „In zwei jüngst veröffentlichten Studien haben Forscher sowohl in der menschlichen Darmschleimhaut als auch im Immunsystem des Darms einen deutlichen circadianen Rhythmus nachgewiesen, der durch diese Uhrengene kontrolliert wird“, so die Forscherin.
Das wecke die Frage, ob möglicherweise auch bei uns die Mikroben der Darmflora dazu beitragen, diesen Teil der inneren Uhr zu steuern. Nach Ansicht der Wissenschaftler würde es lohnen, diesen möglichen Einfluss unserer mikrobiellen Mitbewohner in weiteren Studien genauer zu erkunden. (mBio, 2013)
(American Society for Microbiology, 03.04.2013 – NPO)