Die Kruste lebt: Hunderte Meter tief im massiven Basaltgestein der Ozeankruste haben Forscher lebende Mikroben entdeckt. In den vor der Nordwestküste der USA erbohrten Gesteinsproben fanden sich nicht nur Erbgutspuren von Bakterien, es gelang den Wissenschaftlern auch, die Gesteinsbewohner im Labor zu kultivieren und zu vermehren. Die Energie zum Leben verschaffen sich die fern von Licht und Luft existierenden Mikroben aus geochemischen Reaktionen des Gesteins mit dem Porenwasser. Ähnliche Lebensformen könnten auch anderswo in der Erdkruste und sogar auf fremden Planeten existieren, postulieren die Forscher im Fachmagazin „Science“.
Für die meisten Organismen auf unserem Planeten ist die Sonne der Ursprung allen Lebens. Ihr Licht liefert den Pflanzen an der Basis der Nahrungsnetze die Energie, um organische Verbindungen zu produzieren. Diese wiederum bilden die Nahrung für Tiere und letztlich auch uns Menschen. Aber es geht auch anders: Es gibt Mikroben, die ohne Luft und Licht auskommen und stattdessen geochemische Reaktionen für Nahrung und Energie nutzen. Dazu hören viele Bakterien im Meeresboden, in Höhlen und, wie sich jetzt zeigt, auch hundert von Metern tief in der basaltischen Ozeankruste der Erde.
Schwarze Raucher als erstes Indiz
Erste Hinweise, dass es auch Leben in der Gesteinskruste unseres Planeten gibt, haben Forscher schon in den 1970er Jahren entdeckt. Damals stießen sie in Ölschlamm von Bohrungen, in Höhlen, aber auch im heißen Wasser, das aus Schloten am Grund der Tiefsee quillt, auf speziell angepasste Bakterien und Archaea. „Solche heißen Quellen kommen vor allem an den Grenzen von tektonischen Platten vor, dort, wo neugebildete oder frisch absinkende Kruste auf Meerwasser trifft“, erklärt der Mikrobiologe Mark Lever von der Universität Aarhus. Dass auch tausende von Kilometern entfernt von diesen aktiven Plattenrändern und hunderte Meter tief im Krustengestein Leben existiert, dafür gab es keine Belege – bis jetzt.
Im Rahmen des Integrated Ocean Drilling Program (IODP) haben Lever und seine Kollegen vor der Nordwestküste der USA Gesteinsproben aus den Tiefen der Ozeankruste genommen. Mit Hilfe eines speziell isolierten Bohrers drangen sie durch 2.500 Meter tiefes Wasser bis in den Meeresboden und dort durch mehrere hundert Meter Sediment bis in das Basaltgestein des Felsuntergrunds vor. „Um Kontaminationen zu vermeiden, nahmen wir die Gesteinsproben 55 Kilometer von der nächsten Stelle entfernt, an der Meerwasser durch Risse bis zum Basalt vordringen kann“, erklärt Lever. Die so gewonnenen Bohrkerne hievten sie an Bord, zerteilten sie mittels steriler Werkzeuge und analysierten sie.
DNA und lebende Mikroben im Gestein
An der chemischen Zusammensetzung des Porenwassers könne man erkennen, dass dieses Gestein schon lange Zeit vom Ozean isoliert sei, sagen die Forscher. So findet sich in dem rund 3,5 Millionen Jahre alten Basalt keinerlei durch Photosynthese erzeugter Sauerstoff. Das in den Gesteinsporen enthaltene organische Material stammt zudem nicht von abgestorbenen Algen oder anderen Meereslebewesen, sondern wurde an Ort und Stelle gebildet, wie chemische Analysen zeigten.
Als die Forscher dieses Gestein dann nach mikrobieller DNA untersuchten, wurden sie fündig: „Zu meiner großen Überraschung identifizierte ich darin Gene, die von Methan produzierenden Mikroorganismen stammen“, sagt Lever. Das allein aber bewies noch nicht, dass dieses Erbgut auch von noch lebenden Mikroben stammte, theoretisch könnte es sich auch um fossile DNA handeln. Um dies auszuschließen, kultivierten die Wissenschaftler Proben aus dem Gestein auf Nährmedien – sollte es lebende Mikroben darin geben, müssten sie sich darauf vermehren. Und genau das taten sie auch: Schon kurze Zeit später bildeten sich Bakterienkolonien und die Forscher maßen eine deutliche Methanproduktion – und damit ein klares Lebenszeichen der gesteinsbewohnenden Organismen.
Ausgedehntes Ökosystem fernab von Licht und Luft
„Damit liefern wir den ersten direkten Beweis für Leben in den Tiefen der ozeanischen Kruste“, sagt Lever. Ihre Nahrung und Energie beziehen die Bewohner dieses extremen Lebensraums vermutlich aus Bestandteilen des Gesteins und des Porenwassers. „Es gibt viele kleine Adern in der basaltischen Kruste, durch die Wasser fließt“, erklärt Lever. „Dieses Wasser reagiert mit reduzierten Eisenverbindungen im Basalt wie Olivin und setzt dabei Wasserstoff frei. Das wiederum nutzen die Mikroben als Energiequelle, um Kohlenstoff in organischen Verbindungen umwandeln zu können.“
Nach Ansicht der Forscher sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass es in den Tiefen der Erdkruste eine echte tiefe Biosphäre gibt – ein ausgedehntes Ökosystem, dass ohne Luft und Sonne allein auf Basis der Chemosynthese überlebt. Auf ähnliche Weise, so postulieren sie, könnte auch auf anderen Planeten Leben dort existieren, wo wir zunächst es nicht vermuten würden. (Science, 2013; doi: 10.1126/science.1229240)
(Aarhus University / Science, 15.03.2013 – NPO)