Ökologie

Bizarre Fortpflanzung der Knochenfresser geklärt

In Walknochen lebende Wurmweibchen halten sich Mini-Männchen als Harem

Erwachsenes Zombiewurm - Weibchen - getrennt vom Knochen. © Miyamoto et al. / The Science of Nature

Dass die knochenfressenden Osedax-Würmer seltsame Wesen sind, wusste man schon länger. Jetzt zeigt sich, dass auch ihre Fortpflanzung reichlich ungewöhnlich ist: Männchen dieses „Zombiewurms“ bekommen keine Chance auf ein selbstständiges Leben, stattdessen entstehen sie nur, wenn es ohnehin Larven im Überschuss gibt. Dann setzen sich einige davon auf dem Eileiter des Weibchens fest und bleiben dort ihr ganzes Leben lang sitzen. Diese besondere Strategie erlaube den Würmern das Leben auf ihrem ungewöhnlichen Standort – abgesunkenen Walknochen auf dem Meeresgrund, so die Vermutung der Forscher im Fachmagazin „Naturwissenschaften – The Science of Nature“.

Die Zombiewürmer sind rätselhafte Meeresbewohner: Seit ihrer Entdeckung im Jahre 2004 versuchen daher Forscher, hinter die Lebensgewohnheiten der auch als Knochenfresser-Würmer bekannten Tiere zu kommen. Bisher ist nicht viel über sie bekannt, außer dass ihre einzige Nahrungsquelle – zugleich der Wohnort der Tiere – auf dem Meeresgrund abgesunkene Walknochen sind. Bemerkenswert dabei: Die zur Gattung der Ringelwürmer gehörenden Tiere haben weder einen Mund noch ein eigenes Verdauungssystem. Stattdessen leben sie in einer engen Abhängigkeitsbeziehung mit marinen Bakterien. Diese stellen ihnen direkt die Nährstoffe aus den Knochen zur Verfügung. Die Mikroben leben dabei in verzweigten Ausläufern des Wurmkörpers, mit denen sich dieser im Walknochen verankert und zugleich den Bakterien Zugang zum Knochen liefert.

Zwergmännchen leben in Eileiter

Doch nicht nur die seltsamen Ernährungsgewohnheiten der marinen Würmer gaben den Forschern lange Rätsel auf, auch ihr Sexualverhalten ist alles andere als gewöhnlich: So vermutete man bereits länger, dass die Entscheidung, ob aus den Larven Männchen oder Weibchen entstehen, abhängig von den Umgebungsbedingungen ist. Zudem ähneln sich Männchen und Weibchen der äußeren Erscheinung nach kaum. Die männlichen Vertreter sind im Verhältnis zu den wenige Zentimeter großen Weibchen mikroskopisch klein. Doch damit nicht genug: Die Zwergmännchen finden sich meist direkt im Eileiter der Weibchen und haben somit kein eigenständiges Leben.

Aufgrund dieser Beobachtungen gingen die Forscher der „Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology“ nun besonders der Larvenentwicklung genauer auf den Grund. In Laborexperimenten untersuchten sie dazu einige auf dem Meeresgrund gefangene Exemplare des Zombiewurms genauer. Sie entnahmen dazu Embryos aus dem Larvenschleim einiger Weibchen und boten den sich hieraus entwickelnden Larven einen Knochen als Kinderstube an. Hatten sich die Jungwürmer einmal auf dem Knochen niedergelassen, zerschnitten die Forscher die Knochen, um einen Einblick in das bis dato geheime Leben der Würmer zu erlangen.

Eine Osedax japonicus - Kolonie auf einem Walknochen. © Miyamoto et al. / The Science of Nature

Männchen entstehen nur, wenn es viele Larven gibt

Die Ergebnisse bestätigten, dass die Larven während der ersten zehn Tage freischwimmend sind – bis sie sich – falls vorhanden – auf einem Knochen ansiedeln und von da an innerhalb eines Tages sesshaft werden. Dabei hilft den jungen Meereswürmern ein von ihnen sekretierter Schleim, der es ihnen erlaubt, ihre Röhren in den Knochen zu formen. Kurze Zeit später entwickeln sich Gliedmaßen und die weiblichen Geschlechtsorgane. Denn nur die Weibchen nisten sich in den Knochen ein, Männchen werden nicht sesshaft, sondern leben als Harem im Röhrensystem eines Weibchens.

In den Experimenten der Forscher zeigte sich zudem, dass männliche Zombiewürmer nur entstehen, wenn eine besonders hohe Zahl freischwimmender Larven zu bereits geschlechtsreifen Weibchen gegeben wurde. Nur dann entwickelten sich aus einem Teil der Larven Männchen. Diese Larven nisteten sich nicht eigenständig in den Knochen ein, sondern setzten sich sofort auf die Eileiteröffnungen der reifen Weibchen. Hier beginnt nun ihre Metamorphose zu Zwergmännchen von denen einige gar in die Eileiter einwandern, während andere vor der Öffnung ausharren. Sechs Wochen nach dem Bezug des Knochens legen die Weibchen so mithilfe des in und um ihren Eileiter lebenden männlichen Harems die ersten befruchteten Eier.

Die Forscher sind überzeugt, dass den Zombiewürmern die spezielle Kombination aus früh freischwimmenden Larven und der Sexualentwicklung der Tiere ein Überleben auf dem zwar futterreichen, doch höchst isolierten Nahrungsquellen erlaubt. Besonders die Geschwindigkeit der Reifeentwicklung sei dabei nach Auffassung der Wissenschaftler ein Schlüssel zur effektiven und schnellen Erschließung der Nahrungsquelle Knochen. Welche Bedingungen allerdings in der Natur notwendig sind, um eine Entwicklung männlicher Zombiewürmer zu induzieren, bleibe noch zu untersuchen. (Naturwissenschaften, 2013; doi: 10.1007/s00114-013-1024-7)

(Naturwissenschaften, 13.03.2013 – KBE)

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