Technik

Forscher entwickeln Wikipedia für Roboter

Cloud-Plattform soll Roboter flexibler, leichter und lernfähiger machen

Robotische Helfer sollen dank Cloud-Plattform künftig lernfähiger und selbstständiger werden © RoboEarth.org/ Angeline Swinkels

Wenn Roboter Bob nicht mehr weiter weiß, schaut er einfach im Internet nach – auf „RoboEarth“. Denn diese neu entwickelte Cloud-Plattform speziell für Roboter ermöglicht es diesen, gelerntes Wissen auszutauschen und Berechnungen online durchzuführen. Die Roboter können so neue Fertigkeiten lernen und komplett neue Aufgaben übernehmen – und das ohne dass sie selbst schwere Computergehirne und Speicher mit sich herumtragen müssen. Erste Modellprojekte mit der Plattform laufen bereits.

Navigationsroboter tauschen über das Internet Karten aus, Hilfsroboter im Krankenhaus oder Pflegeheim laden sich selbst Beschreibungen von Getränkeflaschen herunter, um diese im Kühlschrank zu finden und den Patienten bringen zu können und der Haushaltsroboter informiert sich über das neugekaufte Objekt seiner Besitzer, das plötzlich mitten im Wohnzimmer steht. Das alles klingt futuristisch, ist aber bereits Realität. Möglich wird dieser Austausch durch eine Cloud-Plattform speziell für Roboter, die jetzt von Wissenschaftlern von fünf europäischen Universitäten entwickelt worden ist.

Lernen und Rechnen in der Roboter-Cloud

Das Ganze funktioniert ähnlich wie Wikipedia – nur dass nicht Menschen diese Plattform nutzen, um etwas Neues zu lernen oder neu erworbenes Wissen zu teilen, sondern Roboter. Sie klinken sich in die Online-Datenbank „RoboEarth“ ein, wo sie sich Wissen zu täglichen Aufgaben oder Alltagsobjekten aneignen, vertiefen und miteinander teilen können. Doch Wissen allein genügt nicht für intelligentes Verhalten. Damit die Roboter das erworbene Wissen auch anwenden können, haben die Forscher „RoboEarth“ um eine Cloud-Processing-Plattform erweitert, die es Robotern erlaubt, komplexe Handlungenabläufe und Aufgaben mit Hilfe der Rechenpower der Cloud zu lösen.

„Unsere Idee ist, die riesige Rechenleistung großer Daten- und Rechenzentren, wie sie zum Beispiel Google oder Amazon nutzen, einzelnen Robotern zur Verfügung zu stellen“, erklärt Markus Waibel, Senior Scientist an der ETH Zürich und Projekt-Manager von „RoboEarth“. So können schnellere, leichtere und intelligentere Roboter entwickelt werden, weil nur noch ein Bruchteil der Berechnungen in der Maschine selbst ablaufen muss und die Entwickler auf einen Großteil der schweren und teuren Hardware verzichten können. Mit einer einfachen Antenne ausgerüstet, können Roboter über WLAN das gesammelte Wissen der Roboter-Gemeinde anzapfen.

Das Funktionsprinzip von RoboEarth erklärt dieses Video© RoboEarth / youtube

Schneller und leichter dank ausgelagertem Speicher

Besonders interessant ist die Cloud-Computing-Plattform für mobile Roboter wie Drohnen oder autonome Fahrzeuge, die viel Rechenleistung benötigen, um an einem bestimmten Ort navigieren zu können. Doch Waibel sieht auch Anwendungsmöglichkeiten für Service- oder Fabrikroboter, die sich in einem menschlichen Umfeld zurechtfinden müssen. „Ein Roboter ist mit alltäglichen Situationen, wie beispielsweise der großen Auswahl an Artikeln in einem Supermarkt, schnell überfordert“, erklärt er. „Wenn der Roboter ein Foto eines beliebigen Artikels an eine Online-Plattform senden könnte, welche die Bildinformation so verarbeitet, dass er die Produktinformationen abrufen kann, dann könnte das seinen Einsatz im Supermarkt – und im Haushalt – erleichtern.“

Einzelne Forschungsgruppen verschiedener Universitäten und Firmen nutzen Cloud-Computing bereits für spezifische Robotik-Anwendungen. Mit der „RoboEarth-Cloud-Engine“ wurde nun erstmals eine Open-Access-Plattform dafür geschaffen. So können Entwickler über die Cloud zum Beispiel auf die über 3.000 Algorithmen, die im Rahmen des Roboterbetriebssystems ROS zur Verfügung stehen, zugreifen und sie ohne Modifikation auch dort verarbeiten. Auch über den Datenschutz haben sich die Die Entwickler von „RoboEarth“ Gedanken gemacht. Innerhalb der Plattform sind die Benutzer frei, einzelne Bereiche mit einem Passwortschutz zu versehen – also eine Art Intranet innerhalb der Cloud zu bilden.

Ab sofort haben Entwicklerinnen und Entwickler weltweit die Möglichkeit, die Datenbanken und Rechenzentrale von „RoboEarth“ zu nutzen und auszuprobieren. „Wir sind gespannt auf die Rückmeldungen und freuen uns schon sehr auf die Ideen von anderen Forschern, wozu man die Plattform auch noch nutzen könnte“, sagt Waibel. Er und seine Kollegen erarbeiten nun konkrete Fallbeispiele für Roboter, um die Plattform weiter zu testen. Bereits im Sommer dieses Jahres soll die Betaversion vorliegen.

(ETH Zürich, 11.03.2013 – NPO)

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