Klima

Tibet: Keine Pause beim Klimawandel

Auch auf dem Dach der Welt beginnt der Frühling immer früher

Pflanzenwachstum im Frühjahr, gemessen von den Satellienprogrammen GIMMS und SPOT im Vergleich. © Geli Zhang et al. / PNAS

Durch den Klimawandel beginnt der Frühling bei uns immer früher. Auf dem tibetanischen Hochland aber schienen die Pflanzen in den letzten zehn Jahren eine Pause einzulegen: Satellitendaten zeigten kein Vorrücken des Frühjahrs mehr an, ganz im Gegenteil schien sich der Trend sogar wieder umzukehren. Jetzt allerdings stellt sich heraus, dass diese Messungen einen systematischen Fehler aufwiesen. Stattdessen schreitet der Klimawandel und mit ihm sein Effekt auf die Pflanzenwelt auch auf dem Dach der Welt ungebremst voran, wie ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichtet.

{1l}

Wann eine Pflanze im Frühjahr ausschlägt und beginnt zu wachsen, ist für jede Art genetisch festgelegt, wird aber durch äußere Faktoren ausgelöst. Die meisten Pflanzen orientieren sich dabei sowohl an der zunehmenden Tageslänge als auch an den ansteigenden Temperaturen. Ist ein gewisser Schwellenwert überschritten, löst dies das Wachstumsprogramm aus und die Blätter sprießen. Weil der Klimawandel dafür sorgt, dass es im Frühjahr immer eher warm wird, verschiebt sich damit auch der Start für das Pflanzenwachstum. Bei uns hat sich der Beginn des botanischen Vollfrühlings – gemessen am Zeitpunkt der Apfelblüte – seit 1950 dadurch schon um mehr als eine Woche nach vorne verschoben.

Unerklärliche Trendumkehr auf den Dach der Welt

Auch auf dem Dach der Welt, dem Hochland Tibets, macht sich die globale Erwärmung schon seit einigen Jahrzehnten bemerkbar, wie Geli Zhang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und seine Kollegen berichten. Daten von Fernerkundungssatelliten bestätigten dies zunächst auch, denn sie zeigten von 1982 bis zum Ende der 1990er Jahre ein deutliches Vorrücken der Vegetationsperiode. Zwischen 1999 und 2006 aber ergaben die Satellitendaten plötzlich das genaue Gegenteil: Die Pflanzen auf dem Tibetplateau schienen nun von Jahr zu Jahr sogar wieder später auszuschlagen. „Es gab einige Versuche, diese rätselhafte Trendumkehr zu erklären, sie blieben aber alle umstritten“, erklären die Forscher.

Um dieses Rätsel zu lösen, haben Zhang und seine Kollegen die diesen Daten zugrunde liegende Infrarot-Messreihe der Global Inventory Modeling and Mapping Studies (GIMMS) nun mit zwei weiteren Sätzen von Satellitendaten verglichen. GIMMS deckt dabei die Zeit von 1982 bis 2006 ab, währen die anderen beiden die Vegetation auf dem Tibet-Hochplateau zwischen 1998 beziehungsweise 2000 und 2011 überwachten. Tatsächlich stimmten bis zum Jahr 2000 die GIMMS-Werte zunächst mit denen des ab 1998 laufenden Programms überein: „Beide zeigten, dass die alpine Vegetation in jedem Frühjahr um rund 1,04 Tage früher mit ihrem Wachstum begann“, berichten die Forscher.

Abweichende Kurven

Nach diesem Zeitpunkt allerdings bewegten sich die Kurven deutlich auseinander: Während die Satelliten des GIMMS-Programms 2003 einen plötzlichen Rücksprung im Wachstumsbeginn anzeigten, registrierten die anderen beiden Messreihen übereinstimmend weiterhin ein stetiges Vorrücken des Frühlingsbeginns. Da in dieser Zeit auch die gemessenen Frühlingstemperaturen in Tibet weiterhin anstiegen, spreche dies dafür, dass GIMMS falsch und die beiden neueren Messreihen richtig lägen, kommentieren die Forscher.

Warum die GIMMS-Messungen ab 2001 falsche Werte lieferten, hat die Studie nicht eindeutig klären können. Zhang und Kollegen nennen aber zwei mögliche Gründe: Zum einen könnten die Sensoren dieser Satelliten stärker durch die steigende Verschmutzung der Luft mit Schwebstoffen beeinträchtigt worden sein. Zum anderen wurden genau zu Beginn der vermeintlichen Trendumkehr die Infrarotsensoren bei vielen der an GIMMS beteiligten Satelliten ausgetauscht – und lieferten daher möglicherweise hinterher etwas andere Daten. Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet aber in jedem Falle alles darauf hin, dass der Klimawandel auch auf dem Dach der Welt mit ungebrochenem Tempo voranschreitet und dabei auch die Pflanzenwelt messbar beeinflusst. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2013; doi: 10.1073/pnas.1210423110)

(Proceedings of the National Academy of Sciences, 26.02.2013 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Warum der Eisbär einen Kühlschrank braucht - ... und andere Geheimnisse der Klima- und Wetterforschung von Mojib Latif

Warnsignal Klima - Gesundheitsrisiken: Gefahren für Pflanzen, Tiere und Menschen von Jose L. Lozan, Walter Maier, Hartmut Graßl, Gerd Jendritzky, Ludwig Karbe und Karsten Reise

Eine unbequeme Wahrheit - von Al Gore, Richard Barth, Thomas Pfeiffer

Top-Clicks der Woche