Klima

Ostsee: Blaualgen-Schwemme durch Klimawandel droht

Steigende Wassertemperaturen verdoppeln Masse der Cyanobakterien bis zum Jahr 2100

Schlieren von Cyanobakterien auf der Wasseroberfläche bei einer Blaualgenblüte. © Lamiot / CC-by-sa 3.0

Die Zukunft der Ostsee ist eher trüb: Bis zum Jahr 2100 könnten doppelt so viele Blaualgen im Wasser treiben wie heute – eine massive Algenblüte. Damit aber hat der Klimawandel einen deutlich größeren Effekt auf die Algenpopulation als bisher angenommen. Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Hamburg zeigt, dass höhere Wassertemperaturen die Algenmasse gleich auf mehrfache Weise in die Höhe treiben: Es können mehr Cyanobakterien überwintern und im Sommer läuft die Vermehrung schneller ab, so ihre Erklärung im Fachmagazin „Climatic Change“.

Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt, sind wichtige Mitspieler im Meeres-Ökosystem. Die einzelligen Mikroorganismen produzieren durch ihre Fotosynthese wertvollen Sauerstoff und bilden zudem die Basis für das marine Nahrungsnetz. Aber es gibt auch eine Schattenseite: Vermehren sich die Cyanobakterien zu stark, kann das Meer leicht überdüngt werden, zudem führen ihre Überreste am Meeresboden dazu, dass Bakterien bei ihrem Abbau viel Sauerstoff aufzehren. Im Extremfall sind sauerstoffarme, lebensfeindliche Todeszonen die Folge solcher Blüten. Einige Arten produzieren Giftstoffe, die Meerestiere töten und auch für den Menschen gesundheitsgefährdend sein können.

Milde Winter ermöglichen stärkeres Wachstum

Cyanobakterien profitieren vom Klimawandel, das war bereits vorher klar. Denn sie wachsen nur in warmem Wasser – optimal sind rund 25 Grad Celsius – und überdauern ansonsten in einer Art Ruhestadium am Boden der meist flachen Gewässer. „Das ist wie bei Aussaat und Ernte – je mehr schlummernde Zellen den Winter überleben, desto rascher wächst die Population im Frühjahr“, erläutert Inga Hense vom KlimaCampus der Universität Hamburg. Wird es dann im Frühjahr und Sommer warm, beginnen die Zellen wieder aktiv zu werden und vermehren sich. Wie stark der Klimawandel aber das Wachstum der Cyanobakterien ankurbelt, war bisher nur in Teilen klar.

Die Biologin und ihr Team haben dies nun zusammen mit Kollegen vom Swedish Meteorological and Hydrological Institute genauer untersucht. Sie verknüpften dafür ein physikalisches Klimamodell mit einem biologischen Modell, das erstmals den kompletten Lebenszyklus der Cyanobakterien abbildet. Verglichen hatten die Wissenschaftler die Zunahme einer gegebenen Blaualgenpopulation über einen Zeitraum von jeweils 30 Jahren – unter den Bedingungen von 1969 bis 1998, und als Gegenstück hierzu unter den Rahmenbedingungen, die uns voraussichtlich von 2069 bis zum Jahr 2098 mit zunehmender globaler Erderwärmung erwarten.

Das biologisch-physikalische Klimamodell zeigt: Durch den Klimawandel könnte sich die Biomasse der Cyanobakterien mehr als verdoppeln (gemittelt über 30 Jahre). © UHH/KlimaCampus/Hense

Zweimal so viel Algenmasse in der Ostsee

Das Ergebnis: „Unsere Ergebnisse zeigen bei zunehmenden Wassertemperaturen nicht nur eine verlängerte jährliche Wachstumsphase, sondern auch mehr als zweimal so viel Algenbiomasse bis zum Ende des Jahrhunderts“, berichtet Hense. Ein Grund für das starke Wachstum ist neben den zukünftig für die Blaualgen extrem günstigen Bedingungen auch ein Rückkopplungseffekt, wie das Modell zeigte: Die hohe Zelldichte nahe der Wasseroberfläche sorgt für eine stärkere Absorption des warmen Sonnenlichts. Dadurch steigt die Wassertemperatur weiter in die Höhe. Eine positive Rückkopplung, die für noch mehr Wachstum sorge, wie die Forscher erklären.

Entscheidend für die kommenden Algenblüten ist offenbar auch die Abfolge von kalten und warmen Wintern: „Halten wir alle Eckdaten im Modellexperiment konstant, ergeben sich dennoch unterschiedliche Zuwachsraten – je nachdem, wie sich die Kälteperioden aneinanderreihen und die Produktivität der Einzeller begünstigen oder benachteiligen“, berichtet Hense. Ein weiteres Indiz, dass die Biologie der Cyanobakterien mit Blick auf den Klimawandel eine besondere Rolle spielt.

„Schon heute lässt sich ein Anstieg der Cyanobakterien beobachten. Unsere Untersuchungen geben außerdem erste Hinweise, dass wir künftig mit großen Veränderungen rechnen müssen“, berichtet Hense. So kommen die meist ungeliebten Einzeller nicht nur in der Ostsee vor, sondern auch in den Tropen und Subtropen, in flachen Gewässern und Süßwasserseen. Dort kurbeln sie das Wachstum weiterer Arten an: „Cyanobakterien fixieren im Wasser gelösten Luftstickstoff, der für andere Organismen normalerweise nicht verfügbar ist. Als dominante Primärproduzenten können sie so das Nährstoffbudget ganzer Lebensräume tiefgreifend ändern.“ Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler deshalb auch horizontale Meeresströmungen, mit denen die Algen verdriften, in ihre Berechnungen einbeziehen. (Climatic Change, 2013; (Universität Hamburg, 20.02.2013 – NPO)

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