Forscher haben die kleinsten Tunnel der Welt erzeugt – und mussten dafür kaum etwas tun. Denn Nickelatome halfen ihnen dabei, winzige, nur wenige Nanometer breite Röhren in eine Graphitschicht zu graben – fast wie von selbst. Diese durch Selbstorganisation entstandenen Tunnel könnten dabei helfen, zukünftig das Innere von Werkstoffen zu strukturieren. So könnte beispielsweise nanoporöser Graphit für Anwendungen in Medizin und Batterietechnik maßgeschneidert werden, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
Für die Herstellung der Tunnel haben Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der US-amerikanischen Rice University zunächst Nanopartikel aus Nickel auf Graphit aufgetragen. Dieser wird dann in Anwesenheit von Wasserstoffgas erhitzt. Unter diesen Bedingungen wirkt die Oberfläche der nur wenige Nanometer großen Metallpartikel als Katalysator: Sie löst Kohlenstoffatome aus dem Gitter des Graphits und lässt sie mit Wasserstoff zu gasförmigem Methan reagieren. Das Nickelpartikel wird dabei durch Kapillarkräfte in das entstandene Loch im Graphit gezogen und bohrt sich so nach und nach immer weiter durch das Material.
Verräterische Spuren an der Oberfläche
Wie von allein ergaben sich so Tunnel zwischen einem und 50 Nanometer Größe – das entspricht gerade einmal einem Tausendstel des Durchmessers eines Haares. Beobachtet haben die Forscher die Entstehung der Tunnel mit Hilfe von Rasterelektronen- und Rastertunnelmikroskopen. „Eigentlich bilden die Mikroskope nur die oberen Schichten der Probe ab“, erklären die beiden Hauptautoren der Studie, Maya Lukas und Velimir Meded vom Institut für Nanotechnologie am KIT. „Dennoch hinterlassen die darunter laufenden Tunnel auch atomare Strukturen auf der Oberfläche. Mit den detailreichen Rastertunnel-Bildern und Computersimulationen konnten wir diese eindeutig den Nanotunneln zuordnen und so deren Verlauf bestimmen.“ Durch eine Serie von Aufnahmen eines Rasterelektronen-Mikroskopes aus verschiedenen Perspektiven gelang es den Wissenschaftlern zudem, auch die Tiefe der Tunnel exakt zu bestimmen.
Von der Batterie bis zum Wirkstoff-Depot
Anwendungen für solche Nanotunnel gäbe es viele, wie die Forscher erklären. So wird poröser Graphit beispielsweise in den Elektroden von Lithium-Ionen-Batterien genutzt. Die richtige, mittels Nanotunneln maßgeschneiderte Porengröße des Materials könnte dabei zukünftig die Ladezeit weiter verkürzen. In der Medizin könnte poröses Graphit als Träger von Medikamenten dienen, die gezielt über einen längeren Zeitraum abgegeben werden sollen. Nutzt man statt Graphit Materialien, die nicht leitend sind, aber einen ähnlichen atomaren Aufbau haben, etwa Bornitrid, wäre es auch denkbar, die Tunnel als Grundgerüst für nanoelektronische Komponenten zu nutzen, etwa neuartige Sensoren oder Solarzellen. (Nature Communications, 2013; doi: 10.1038/ncomms2399)
(Karlsruher Institut für Technologie (KIT)/ Nature Communications, 24.01.2013 – NPO)