Paläontologie

Urvogel war ein Mädchen

Forscher haben erstmals das Geschlecht eines urzeitlichen Vogelfossils bestimmt

Rekonstruktion eines weiblichen und männlichen Confuciusornis sanctus © Stephanie Abramowicz

Mädchen oder Junge? Bei vielen Tierfossilien ist diese scheinbar simple Frage nicht ganz leicht zu beantworten, denn die meisten Geschlechtsmerkmale überdauern die Jahrmillionen nicht. Jetzt ist es einem internationalen Forscherteam erstmals gelungen, das Geschlecht eines 125 Millionen Jahre alten Urvogels zu bestimmen. Eine Knochenstruktur am Flügel verriet ihnen, dass es sich um ein Weibchen handelte. Daraus wiederum konnten sie ableiten, dass andere Exemplare der gleichen Art, die auffällig lange Schwanzfedern besaßen, vermutlich Männchen waren, wie sie im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Der Urvogel Confuciusornis sanctus lebte vor rund 125 Jahren im heutigen Nordosten Chinas und hatte – zumindest zeitweise – ziemliches Pech: Denn in der Nähe des großen, flachen Sees, an dem er lebte, brach gleich mehrmals ein Vulkan aus. Asche und Lava überraschten dabei ganze Schwärme der Urvögel. Sie fielen in den See und wurden dort von Schlamm eingeschlossen und begraben. Das Pech der Vögel ist für die Paläontologen allerindgs ein echter Glücksfall: Denn bis heute ahben sie im Sediment des einstigen Sees bereits fast tausend versteinerte Exemplare von Confuciusornis sanctus gefunden – mit einer großen Vielfalt an Größen und Formen.

Eines ist bei den Fossilien sehr auffällig: Obwohl definitiv zur gleichen Art gehörend, besitzen einige der Tiere zwei extrem lange Schwanzfedern, die zum Teil länger sind als ihr gesamter Körper, während andere keine derartige Zierde aufweisen. Bereits relativ früh mutmaßten Paläoornithologen daher, dass es sich bei den geschmückten Exemplaren um Männchen gehandelt haben könnte, und dass die Schwanzfedern die Weibchen beeindrucken sollten – ähnlich wie es heute die Schwanzfedern des männlichen Pfaus tun. Ob die Tiere mit dem Federschmuck allerdings tatsächlich Männchen waren, war bisher völlig unklar.

Confuciusornis-Fossil im paläozoologischen Museum Chinas © gemeinfrei

Verräterische Knochenstruktur

Eines der nicht mit den langen Federn geschmückten Fundstücke, DNHM-D1874, genannt, hat nun diese Frage beantwortet. Denn der normalerweise im naturhistorischen Museum von Dalian im Nordosten Chinas aufbewahrte Urvogel gehört zu den elf ausgewählten Exemplaren, deren Knochen die Wissenschaftler um Anusuya Chinsamy von der Universität Kapstadt jetzt noch einmal genauer unter die Lupe nahmen. Dabei entdeckten sie erstmals einen klaren Beleg dafür entdeckt, dass es sich bei DNHM-D1874 um ein weibliches Tier gehandelt haben muss: Das Innere eines Oberarmknochens des Vogels enthielt Reste einer schwammartigen Struktur aus miteinander verwobenen Knochensträngen.

Dieses sogenannte medulläre Knochengewebe gibt es auch heute noch bei Vögeln – aber nur bei Weibchen, die sich in ihrer fruchtbaren Lebensphase befinden. Denn der schwammartige Knochen ihnen dient als eine Art Mineralstoffspeicher, der insbesondere eine Kalziumreserve für die aufwendige Bildung der Eierschalen beinhaltet. Da DNHM-D1874 ebenfalls ein solches Speichergewebe besitzt, schließen die Forscher daraus, dass auch dieser Urvogel ein Weibchen gewesen sein muss. Im Umkehrschluss bedeute das, dass die Exemplare mit den langen Schwanzfedern tatsächlich die Männchen waren und dass der Schmuck wohl wirklich zum Anlocken potenzieller Partnerinnen diente.

Frühe Fortpflanzung wie bei den Dinos

Und die Wissenschaftler gehen in ihren Schlussfolgerungen sogar noch weiter: Da es eine ganze Reihe eher kleiner Fossilien gibt, bei denen die Schwanzfedern bereits gut ausgeprägt waren, begann C. sanctus vermutlich bereits mit der Fortpflanzung, bevor er vollständig ausgewachsen war. In dieser Beziehung glich der Urvogel, der ansonsten bereits viele Merkmale der modernen Vögel zeigte, offensichtlich noch seinen Dinosaurier-Vorfahren: Auch sie vermehrten sich, bevor sie ihre endgültige Körpergröße erreichten. Heutige Vögel setzen dagegen zuerst aufs Wachsen und dann erst auf die Fortpflanzung.

C. sanctus ist übrigens nicht das erste Tier, bei dem eine Geschlechtsbestimmung dank eines medullären Knochens gelang: Im Jahr 2005 entdeckte die Amerikanerin Mary Schweitzer bei einem Tyrannosaurus rex diese besondere Gewebeart, und zwei Jahre später folgten ähnliche Berichte über den Allosaurus und den Tenontosaurus. Damit war nicht nur klar, dass es sich bei den untersuchten Exemplaren um Dino-Mädchen gehandelt haben muss, sondern es war auch ein weiterer Beleg dafür gefunden, dass die Dinosaurier tatsächlich sehr eng mit den Vögeln verwandt sind. (Nature Communications, 2013; doi: 10.1038/ncomms2377)

(Natural History Museum of Los Angeles County / Nature Communications, 23.01.2013 – ILB)

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