Nach 150 Jahren Pause wird es demnächst wieder frei lebende Wisente in Deutschland geben. 25 Vertreter dieser europäischen Verwandten des Bisons werden in diesem Frühjahr in einem privaten Waldgebiet in der Nähe von Siegen ausgesetzt. Sie sollen die dortige Fauna ergänzen und eine seit Jahrhunderten unbesetzte Nische im Ökosystem füllen.
Bis in das frühe Mittalter hinein waren Wisente in Europas Wäldern noch häufig. Die wilden Verwandten der Hausrinder lebten in Herden von rund 20 Tieren und fraßen vor allem harte Gräser und Pflanzen. Als Rauhfutterfresser waren und sind sie damit keine Konkurrenz für Rehe und Hirsche, die vor allem frisches Gras und weichere Pflanzen fressen. Anfang des 20. Jahrhunderts jedoch starben die Wisente durch Jagd und schwindenden Lebensraum in Europa aus. 1927 wurde das letzte freilebende Exemplar im Kaukasus erlegt. Aus zwölf in Zoos und Wildgehegen gehaltenen Tieren wurden die Wisente seitdem jedoch wieder neu gezüchtet und in einem Naturschutzgebiet an der Grenze Polens zu Weißrussland ausgewildert. Heute leben dort wieder fast 2.000 Tiere.
Erlaubnis nach drei Jahren Vorarbeit
In Deutschland aber blieb das Wisent zunächst in freier Wildbahn ausgestorben. Seit drei Jahren jedoch bereiten Forscher der Universität Siegen gemeinsam mit dem Fürstenhaus zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg eine Auswilderung der Wisente auch bei uns vor. Auf Basis dieser Forschungsarbeit hat das Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nun die Genehmigung erteilt, eine Herde von derzeit acht Wisenten im Privatwald des Fürstenhauses im Wittgensteiner Land freizusetzen. Die Tiere werden sich voraussichtlich ab dem Frühjahr 2013 frei in den Wittgensteiner Wäldern bewegen können. Diese Herde wird somit seit über 150 Jahren die erste wild lebende Rinderherde Deutschlands sein.
Die Tiere im Wittgensteiner Wald sollen zunächst auf eine Gruppengröße von 25 Individuen anwachsen. Die Herde soll weiterhin unter menschlicher Obhut verbleiben und einen gemanagten Bestand bilden. Der World Wide Fund For Nature (WWF) hat kürzlich das Projekt besucht und betrachtet es als „wegweisenden Schritt für den Naturschutz in Deutschland“. Das Projekt soll Vorbildcharakter haben und gewissermaßen als Pilotstudie für andere ähnliche Projekte in dicht besiedelten Regionen dienen. So werden bereits in Dänemark Anstrengungen unternommen, ebenfalls Wisente freizusetzen.
Positive Effekte für das Ökosystem
Von der Wiederansiedlung der Wisente erhoffen sich die Forscher vielfältige positive Folgen für das Ökosystem. So besetzen die Tiere die seit Jahrhunderten in unseren Waldökosystemen vakante Nische des großen Gras- und Raufutterfressers. Zudem bildet ihr Kot einen willkommmenen Lebensraum für Insekten und anderer wirbellose Tiere, die auf diese organischen Reste spezialisiert sind. Viele dieser Kotfresser sind heute bei uns akut bedroht. Durch Tritt und Beweidung schaffen die Wisente außerdem offene Flächen in ansonsten geschlossenen Waldgebieten, die essenziell für manche konkurrenzschwache und daher heutzutage seltene Pflanzen sind. Ihr Verbiss bewahrt kleinräumige, bedrohte Wiesenbereiche vor der Verbuschung.
(Universität Siegen, 18.01.2013 – NPO)