Die Meinung, dass die dunkle Jahreszeit Depressionen begünstige, ist weit verbreitet. Dresdner Psychologen haben nun eine Studie veröffentlicht, deren Ergebnisse einen Zusammenhang zwischen der Frühlingssonne und der Biopolaren Persönlichkeitsstörung herstellen. Die Wissenschaftler werteten dafür die Daten von rund 2.400 Patienten aus sechzehn Ländern aus und verglichen sie mit den Wetterdaten für die jeweiligen Regionen. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die intensive Frühlingssonne das Auftreten einer manisch-depressiven Erkrankung im jungen Alter begünstige, so die Forscher im Fachmagazin „Bipolar Disorders“.
Als bipolare Störung bezeichnen Experten ein Symptommuster, das geprägt ist von Phasen gegensätzlicher Ausprägungsrichtung. So wechseln sich etwa Perioden gesteigerten Antriebs mit solchen absoluter Antriebslosigkeit ab. Die beiden Extremausprägungen werden dabei als manische bzw. als depressive Abschnitte bezeichnet, die aufeinander in einem jedoch nicht festgelegten Muster folgen können oder als Mischform auftreten. Auch die Stärke der Phasen ist individuell sehr unterschiedlich. In depressiven Episoden kann es zu überkritischer Eigenwahrnehmung, tiefer Verzweiflung bis hin zur Suizidgefährdung kommen. Manische Phasen hingegen sind oft von hoher Kreativität, Rastlosigkeit und einer übersteigerten Selbsteinschätzung bestimmt. Auch übersteigerte sexuelle Aktivität, Feierlaune, Rücksichts- oder Bedenkenlosigkeit können manische Symptome sein. Die Biopolare Persönlichkeit wird aufgrund ihres häufig gemeinsamen Auftretens mit anderen psychologischen Symptomen oft nicht als manische Depression erkannt und daher falsch behandelt. Auch das Auftreten von Mischphasen erschwert die Diagnose.
Frühlingszeit bringt Depression
Der Winter mit seinen wenigen Sonnenstunden galt bisher als begünstigend für depressive Phasen. Daher werden nicht selten Lichttherapien als Unterstützung für die Behandlung eingesetzt. Nach Ansicht der Wissenschaftler von der Uniklinik Dresden bringt jedoch die Frühlingssonne für zumindest einen Teil der bipolaren Menschen keine Erleichterung, sondern begünstigt im Gegenteil noch das Auftreten der Symptome.
Für ihre Studie hatten Michael Bauer und seine Mitarbeiter Daten von insgesamt 2.414 Bipolar-Patienten aus sechzehn Ländern und 24 verschiedenen Städten ausgewertet und die Daten mit Wetterinformationen und Sonneneinstrahlungsdaten der amerikanischen Weltraumbehörde NASA verglichen. Dabei fiel auf, dass an bestimmten Orten – etwa Los Angeles, Oslo oder Santiago de Chile – Bipolare Störungen in einem geringeren Lebensalter beginnen als anderswo. Eben diese Regionen seien es auch, die im Frühjahr eine überdurchschnittlich starke Zunahme der täglichen Sonneneinstrahlung zu verzeichnen hätten.
Keine Sunnyboys?
So hielt das oft bediente Klischee der immer fröhlich-entspannten Kalifornier der Betrachtung nicht stand: Im Westen der USA entspricht der Anteil der Menschen mit behandelten Depressionen dem Landesdurchschnitt. Bei der Sonderform „Manische Depression“ steigt das Risiko einer frühen Erkrankung in Los Angeles sogar: Hier werden Biopolare Störungen in der Altersgruppe der bis zu 25-Jährigen durchschnittlich mit 18,9 Jahren erstmals diagnostiziert. Zum Vergleich: In Würzburg liegt das Einstiegsalter bei 22,37 Jahren.
„Mit unserer Studie konnten wir erstmals zeigen, dass Umweltfaktoren wie ein jahreszeitlich bedingter, starker Anstieg der Sonnenstrahlung eine Rolle bei der Entstehung seelischer Erkrankungen spielt“, sagt Bauer. „Dieses Wissen kann nun zum Beispiel in Schulungsprogramme einfließen, um die Patienten dafür zu sensibilisieren, dass sie in dieser Jahreszeit stärker auf die Anzeichen manischer Episoden achten und sich frühzeitig um Hilfe bemühen“, so der Arzt und Wissenschaftler weiter.
Um die Erkenntnisse auf eine breitere Basis zu stellen, wollen die Dresdner Forscher in einer weiteren Untersuchung Patientendaten aus Afrika und Asien einfließen lassen. Dies könnte auch Erkenntnisse darüber liefern, in wieweit tatsächlich die Sonneneinstrahlung und nicht etwa sozio-kulturelle Einflüsse verantwortlich für das erste Auftreten der manischen Depression sind. (doi: 10.1111/j.1399-5618.2012.01025.x)
(Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, 19.12.2012 – KBE)