Durch starke Erdbeben besonders gefährdete Gebiete lassen sich zukünftig besser erkennen: Forscher haben herausgefunden, dass überall dort das Risiko für ein Starkbeben besonders hoch ist, wo Bruchzonen im Ozeanboden auf eine Plattengrenze treffen. 59 solcher geologischen Kreuzungen haben die Wissenschaftler der University of Sidney weltweit identifiziert und in einer Risikokarte eingetragen, wie sie jetzt im Fachmagazin „Solid Earth“ berichteten.
In den letzten hundert Jahren seien 13 der 15 stärksten Beben und die Hälfte aller Starkbeben stärker als Magnitude 8 in einer dieser Hochrisikozonen aufgetreten. Auch die Tsunami-Katastrophe im März 2011 in Japan sei auf Erdstöße an einer solchen Kreuzung zurückzuführen, sagen die Wissenschaftler. Der jetzt aufgedeckte Zusammenhang könne dabei helfen, zukünftig bessere Risikokarten zu erstellen.
Lange Pausen machen Starkbeben schwer vorhersagbar
Als die Erde im März 2011 vor Japans Küste bebte, waren Seismologen verblüfft. Denn in diesem Gebiet der Tohoku-Verwerfung hatte es jahrhundertelang keine Erdbeben mehr gegeben. Sie liegt in einer Subduktionszone, einer Plattengrenze, an der eine Erdplatte unter eine andere hinabgedrückt wird. Weil dort aber seit langer Zeit kein Erdbeben mehr registriert worden war, galt sie als inaktiv und wenig gefährlich. Wie die Forscher berichten, ist ein solches Muster aus jahrhundertelanger Ruhe und dann plötzlich auftretenden Starkbeben typisch für viele Gebiete entlang der Subduktionszonen.
„Diese Erdbeben-Superzyklen entziehen sich den herkömmlichen Vorhersagemethoden und sind auf den traditionellen Risikokarten unterrepräsentiert“, schreiben Dietmar Müller und Thomas Landgrebe. Daher sei es bisher kaum möglich gewesen, festzustellen, wo ein solches Starkbeben drohe. Jetzt zeige sich, dass dies mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit überall dort der Fall sei, wo ozeanische Bruchzonen auf Subduktionszonen treffen. “Der von uns aufgedeckte Zusammenhang liefert Seismologen entscheidende Informationen, um langfristig Orte auszumachen, an denen das Risiko für starke seismische Erschütterungen und Superzyklen am höchsten ist“, sagt Erstautor Müller.
1.500 Erdbeben als Datengrundlage
Für ihre Studie hatten die Forscher aus der Datenbank des National Geophysical Data Center (NGDC) knapp 1.500 starke Erdbeben herausgesucht, die sich seit dem Jahr 1900 ereignet haben. Außerdem werteten sie geophysikalische Daten zur Lage von Bruchzonen und Subduktionszonen aus. Beides setzten sie mit Hilfe einer speziellen Auswertungssoftware in Beziehung.
„Es zeigte sich, dass von den 15 Beben mit Magnitude 8,6 oder mehr 87 Prozent mit Kreuzungen zwischen Bruchzonen und Subduktionszonen verbunden sind“, erklärt Müller. Unter den Beben mit Stärken zwischen 8,4 und 8,6 sei es sogar rund die Hälfte. In einer vorläufigen Karte haben die Forscher 25 der insgesamt 59 tektonischen Kreuzungen markiert, an denen es in den letzten gut 100 Jahren bereits starke Beben gegeben hat. Dazu gehören die Plattengrenzen vor Java, Japan und den Aleuten, aber auch die Cascadia-Verwerfung vor der Westküste Nordamerikas und Teile der südamerikanischen Westküste.
Noch wissen die Forscher nicht genau, warum die tektonischen Kreuzungen so anfällig für Starkbeben sind. Sie vermuten aber, dass die quer laufende Verwerfung in der abtauchenden ozeanischen Platte die Platten beim Übereinandergleiten stört. Als Folge verhakten sich die aneinander grenzenden Gesteinskanten und Spannung baut sich über längere Zeit hinweg auf. Gibt das verhakte Gestein schließlich nach, ist ein Erdbeben die Folge (doi:10.5194/sed-4-1229-2012).
(Solid Earth, 06.12.2012 – NPO)