Geowissen

Erst Mikroben lassen Humus entstehen

Beitrag von Bakterienresten zur Bodenfruchtbarkeit wurde bisher unterschätzt

Bodenbakterien in Nahaufnahme (Elektronenmikroskop) © Burkhard Schmidt-Brücken, Institute of Material science/TU Dresden, Christian Schurig/ UFZ

Überreste von abgestorbenen Bakterien haben für die Böden weltweit eine viel größere Bedeutung als bisher angenommen. Demnach stammt der größte Teil der organischen Stoffe im Boden nicht direkt aus Pflanzenteilen, wie bisher vermutet, sondern wurde zu 40 Prozent erst von Mikroben umgewandelt. Das zeigt die Studie eines internationalen Forscherteams, die passend zum Weltbodentag am 5. Dezember nun im Fachmagazin „Biogeochemistry“ erschienen ist.

Organische Bodenbestandteile stellen den größten Anteil an terrestrisch gebundenem Kohlenstoff in der Biosphäre dar. Sie haben deshalb nicht nur eine große Bedeutung für die Fruchtbarkeit der Böden und die Erträge der Landwirtschaft. Sie sind auch einer der Schlüsselfaktoren, die die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre kontrollieren. Je nachdem wie diese Ressource gemanagt wird, kann der Klimawandel daher gebremst oder beschleunigt werden. Bisher nahm man an, dass die organischen Bestandteile des Bodens größtenteils aus zerfallenem Pflanzenmaterial stammen, das in Huminstoffe umgewandelt wird. Diese These konnten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) gemeinsam mit Kollegen aus Tübingen, Hannover und Stockholm nun im Laborexperiment und Feldversuch widerlegen.

Widerstandsfähiger Film aus organischen Molekülen

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler zunächst in einem Inkubationsexperiment Modell-Bakterien mit dem stabilen Isotop 13C markiert und in Bodenmaterial eingebracht. Nach 224 Tagen Inkubationszeit bestimmten sie den Verbleib des Kohlenstoffs der Bakterien. „Als Ergebnis fanden wir Reste von Bakterienzellwänden überall in unseren Bodenproben. Solche Fragmente wurden auch schon in anderen Studien beobachtet, aber nie weitergehend diskutiert und quantifiziert“, erklärt Matthias Kästner vom UFZ. Offenbar sorgen Peptiden und Proteinen aus den Mikrobenzelle dafür, dass sich auf den mineralischen Bodenbestandteilen ein Film aus organischen Molekülen bildet. In diesem wird der Kohlenstoff der abgestorbenen Bakterien gespeichert.

Wenn die Fragmente der abgestorbenen Bakterienzellwände austrocknen, dann verlieren sie ihre gummiartigen Eigenschaften und können hart wie Glas werden, wie die Forscher berichten. Wird der Boden später wieder feucht, können diese organischen Reste keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen – dadurch können sie von anderen Bakterien nicht ohne weiteres abgebaut werden. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte dies erklären, warum die normalerweise leicht abbaubaren Kohlenstoffverbindungen so lange im Boden erhalten bleiben. „Dieser neue Ansatz erklärt viele Eigenschaften der organischen Bodenbestandteile, die früher widersprüchlich erschienen“, so Kästner.

Bodenbildung am Dammagletscher als Testfall

Zellhüllen bleiben zurück. Kleinteilige Fragmente dieser Hüllen (rot) stellen dann die mikropartikuläre Matrix in Böden und Sedimenten dar. © Burkhard Schmidt-Brücken, Institute of Material science/TU Dresden, Christian Schurig/ UFZ

Nach dem Laborexperiment folgte die Überprüfung der These im Freiland. Im Sommer 2009 nahmen die Forscher Bodenproben im Vorfeld des Dammagletschers im Schweizer Kanton Uri. Im Lauf der letzten 150 Jahre ist dieser Gletscher um insgesamt rund einen Kilometer Länge geschrumpft. Zurück blieb Granitgestein, das von Lebewesen langsam wieder besiedelt und mit Boden bedeckt wurde. Auf Pionierpflanzen wie Moose und Gräser folgten Sträucher und später auch Bäume. Nicht nur für Klimaforscher, sondern auch für Ökologen ist der Dammagletscher deshalb inzwischen zu einem wichtigen Freilandlabor geworden, in dem verschiedenste Studien laufen.

Die Forscher untersuchten Proben von Bodenbereichen im Alter zwischen 0 und 120 Jahren. Bei Untersuchungen mittels Rasterelektronenmikroskopie zeigte sich, dass die Mineralpartikel im Boden mit steigendem Alter von einem immer dichteren Film aus Rückständen von Bakterienzellwänden bedeckt waren. These und Laborergebnisse konnten also im Freiland bestätigt werden. Der überwiegende Teil des Eintrags an Pflanzenrückständen in fruchtbare Böden wird also schnell von Mikroorganismen wie Bakterien verarbeitet. Das führt wiederum zu mehr organischem Material im Boden. „Das unterstreicht die Bedeutung, die Bakterien die Organismen in jedem Boden spielen“, fasst Kästner zusammen. Auch wenn der größte Teil des organischen Kohlenstoffs in den Ökosystemen von Pflanzen produziert werde, mache dieser zunächst einen Umweg über Bakterien und Pilze. Deren Reste schließlich stellen den Großteil der organischen Bodenkomponenten. (doi: 10.1007/s10533-012-9791-3).

(Biogeochemistry, 05.12.2012 – NPO)

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