Neurobiologie

Fehlendes Bauchgefühl lässt Ältere leichter auf Betrüger hereinfallen

Wichtiges Bewertungszentrum im Gehirn ist bei Senioren weniger aktiv

Forscher konnten erstmals nachweisen, dass für die Gutgläubigkeit älterer Menschen neurophysiologische Prozesse verantwortlich sind. © SXC

Ältere Menschen fallen häufiger auf Betrüger herein als jüngere. Warum, das haben US-amerikanische Forscher jetzt herausgefunden: Ältere erkennen die Anzeichen für Unehrlichkeit und mangelnde Vertrauenswürdigkeit im Gesicht anderer Menschen nicht mehr so gut. Zudem reagiert auch ein für die instinktive Risikoabschätzung wichtiges Zentrum ihres Gehirns weniger stark als bei jüngeren, wie Hirnscans ergaben. Den älteren Menschen fehle dadurch das warnende Bauchgefühl, das normalerweise dabei helfe, Verstellung und böse Absichten bei anderen zu erkennen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Zusammen genommen könnten beide Effekte erklären, weshalb ältere Menschen weniger misstrauisch seien und daher für Betrüger häufig eine leichte Beute.

„Allein in den USA haben Über-60-Jährige im Jahr 2010 mindestens 2,9 Milliarden Dollar durch Finanzbetrug verloren“, schreiben Elisabeth Castle von der University of California in Los Angeles und ihre Kollegen. Die Spannbreite der Fälle reiche dabei von vorgetäuschten Reparaturleistungen im Haushalt bis hin zu komplexen finanziellen Schwindeleien. Dass ältere Menschen Betrügern deshalb so oft auf den Leim gehen, weil sie gutgläubiger sind als jüngere, lag nahe. Warum das aber so ist, war bisher nicht geklärt, wie die Forscher berichten.

Unbewusste Signale im Gesicht des Gegenübers

An dem ersten Experiment der Forscher nahmen 119 Personen im Alter zwischen 55 und 84 Jahren und 24 junge Vergleichspersonen teil. Aufgabe für alle Probanden war es, jeweils 30 Fotos von frontal abgebildeten Gesichtern auf einer Skala als neutral, vertrauenswürdig oder nicht vertrauenswürdig einzuschätzen. Die Portraits wurden von den Forschern so ausgewählt, dass die drei Kategorien zu jeweils einem Drittel vertreten waren.

„Bei den neutralen und vertrauenswürdigen Gesichtern gab es kaum Unterschiede zwischen den beiden Altersgruppen“, berichten die Wissenschaftler. Die nicht vertrauenswürdigen Gesichter seien aber von den älteren Teilnehmern durchgehend positiver bewertet worden als von den jüngeren. Sie machten kaum einen Unterschied zwischen diesen und den anderen Portraits. Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass ältere Erwachsene die feinen mimischen Signale, anhand derer wir bei anderen Verstellung oder Unehrlichkeit erkennen, weniger gut wahrnehmen als jüngere. „Das kann das falsche Lächeln sein oder ein nicht offener Blick“, erklärt Studienleiterin Shelley Taylor von der University of California in Los Angeles.

Unterschiede in der Hirnaktivität

Im zweiten Experiment betrachteten 23 ältere und 21 jüngere Probanden ähnliche Gesichter wie im ersten Test, während ihre Gehirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) aufgezeichnet wurde. Die Teilnehmer sollten entweder die Gesichter als vertrauenswürdig oder nicht vertrauenswürdig einstufen oder – als Kontrollversuch – angeben, ob das jeweilige Portrait weiblich oder männlich war.

Auch bei diesem Experiment zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Altersgruppen, wie die Forscher berichten: „Bei den jüngeren Probanden stieg die Aktivität im Bereich der vorderen Insula immer dann besonders stark, wenn diese nicht vertrauenswürdige Gesichter bewerteten“, berichten Castle und ihre Kollegen. Dieses Hirnareal ist unter anderem daran beteiligt, gefühlsmäßige Eindrücke zu verarbeiten und Risiken unbewusst einzuschätzen. Im Zweifelsfall erzeugt es dann ein negatives Bauchgefühl. Bei den älteren Teilnehmern sei diese Region bei allen Bewertungen – egal ob nach Vertrauenswürdigkeit oder Geschlecht – nur wenig aktiv gewesen, sagen die Forscher. Das könnte darauf hindeuten, dass ihnen das warnende Bauchgefühl fehle und sie deshalb leichter auf Betrüger hereinfallen (doi:10.1073/pnas.1218518109).

(Proceedings of the National Academy of Sciences, 04.12.2012 – NPO)

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