Bei einem Flirt kommen sich Frau und Mann näher. Der dabei eingehaltene „soziale Sicherheitsabstand“ vergrößert sich bei Männern mit Partnerin, wenn sie unter Einfluss des Hormons Oxytocin stehen. Das zeigte sich bei einem Experiment von Forschern der Universität Bonn. Sie hatten dabei eigentlich erwartet, dass sich Männer mit Hilfe des Bindungshormons attraktiven Flirtpartnerinnen stärker annähern würden. Doch offenbar scheine das Hormon nicht Bindungen allgemein zu fördern, sondern schon bestehende Beziehungen zu stärken, berichten die Forscher im Fachmagazin „Journal of Neuroscience“.
Bei der Annäherung von Menschen gelten unbewusste Regeln. Sie gehen aufeinander zu und verbleiben dann in einem ganz bestimmten Abstand, beispielsweise bei einem Gespräch. Wissenschaftler sprechen von „sozialer Distanz“. „Wird eine gewisse Distanz zwischen den Gesprächspartnern unterschritten, wird dies als unangenehm empfunden“, sagt René Hurlemann, Oberarzt der Psychiatrie und Psychotherapie des Bonner Universitätsklinikums. Eine besonders sensible Angelegenheit ist die soziale Distanz etwa bei einem Flirt zwischen Frau und Mann. „Die Magie der ersten Begegnung entscheidet häufig über das, was daraus entsteht“, sagt Hurlemann.
Gemeinsam mit Kollegen der Ruhr Universität Bochum und der Universität Chengdu untersuchte Hurlemanns Team nun, welchen Einfluss das Neuropeptid Oxytocin auf die soziale Distanz zwischen Frauen und Männern hat. „Der Botenstoff ist als Bindungshormon bekannt“, berichtet Wolfgang Maier von der Bonner Uniklinik. So weiß man bereits, dass die Oxytocin-Ausschüttung im Gehirn etwa beim Sex oder auch bei Eltern nach der Entbindung ihres Kindes besonders groß ist. „Das Hormon sorgt mit dafür, dass wir uns in eine starke soziale Bindung begeben“, ergänzt Maier.
Forscher verabreichten das Hormon in Form von Nasenspray
Um dies genauer zu untersuchen, verabreichten die Forscher den insgesamt 57 erwachsenen, männlichen Probanden Oxytocin oder ein Placebo in Form von Nasenspray. Eine attraktive Wissenschaftlerin trat in dem Versuch als Experimentatorin auf. Anhand des Abstandes, den die Testpersonen zu ihr einhielten, sollte die Wirkung des Hormons untersucht werden. Dabei gingen die Wissenschaftler von der These aus, dass Oxytocin bei den Probanden zu einer Verringerung der sozialen Distanz führt, weil es im Ruf steht, die sozialen Wechselbeziehungen zu fördern. Allerdings zeigte sich für jene Probanden mit einer festen Partnerin, die unter Oxytocin-Einfluss standen, ein gegenteiliges Bild: Sie hielten eine etwa zehn bis 15 Zentimeter größere Distanz zu der attraktiven Wissenschaftlerin als Probanden, die als Singles lebten oder die aus der unbehandelten Kontrollgruppe stammten. Im Schnitt blieben alle Testpersonen dabei in einen Abstand von etwa 60 Zentimeter vor der Experimentatorin stehen.
Ein weiteres Experiment zeigte ähnliche Ergebnisse: Die Forscher zeigten den Probanden Fotos von attraktiven Frauen. Die Testpersonen hatten die Möglichkeit, in die Bilder hinein zu zoomen, was eine räumliche Annäherung simulieren sollte. Nach der Gabe von Oxytocin taten dies Männer in einer Paarbeziehung langsamer als ihre Single-Testkollegen.
Oxytocin als Treuehormon
„Wir haben dadurch wichtige Erkenntnisse darüber bekommen, wie Männer ticken“, fasst Hurlemann zusammen. Das Oxytocin spiele eine Schlüsselrolle bei der Frage, wie es die Natur eingerichtet hat, dass sich beide Eltern voll auf den schutzbedürftigen Nachwuchs konzentrieren. „Das Bindungshormon hält Männer davon ab, sich nach der Zeugung sofort einer anderen Partnerin zuzuwenden, und steigerte dadurch in vorzivilisatorischen Zeiten die Überlebenschancen des Nachwuchses.“ Oxytocin wirke somit als eine Art Treuehormon, so Hurlemann (doi:10.1523/JNEUROSCI.2755-12.2012).
(Journal of Neuroscience, 16.11.2012 – KBE)