Zum ersten Mal haben Forscher den seltensten Wal der Erde zu Gesicht bekommen: Im Norden Neuseeland strandeten gleich zwei Vertreter des Bahamonde-Schnabelwals (Mesoplodon traversii) – eine Mutter mit ihrem Kalb. Über diese rund fünf Meter große Walart war bisher so gut wie nichts bekannt, Biologen konnten nur aus Schädelfragmenten schließen, wie dieser Meeressäuger aussieht. Erst durch DNA-Analysen der gestrandeten Tiere stellte sich heraus, dass beide zu den Bahamonde-Schnabelwalen gehören müssen. Damit habe man jetzt erstmals eine genaue Beschreibung und Bilder dieser rätselhaften Art erstellen können, berichten die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“. Der Fund der beiden Wale sei der erste Beleg, dass diese Art überhaupt noch existiere und erinnere wieder einmal daran, wie wenig man bis heute über das Leben in den Ozeanen wisse.
Über die gesamte Familie der Schnabelwale ist bisher nur wenig bekannt, obwohl es 21 Arten dieser Meeressäuger gibt“, erklären Kirsten Thompson von der University of Auckland und ihre Kollegen. Die Wale, deren schmale und langausgezogene Schnauze einem Vogelschnabel ähnelt, leben normalerweise auf hoher See, weit entfernt von den Küsten. Sie unternehmen lange Tauchgänge bis in Tiefen von mehr als 1.000 Meter, um ihre Beute, kleine Fische und Kalmare, zu erbeuten. An der Oberfläche hielten sich die Schnabelwale dagegen nur selten und kurz auf, sagen die Forscher.
Der Bahamonde-Schnabelwal sei der seltenste Vertreter dieser ohnehin schon wenig erforschten Walfamilie. Er gehöre zu den seltensten lebenden Säugetieren überhaupt. Alles was man bisher über diese Walart wisse, stamme von drei Schädelfragmenten, die in Neuseeland und Chile in den letzten 140 Jahren gefunden worden waren. „Dies ist nun das erste Mal, dass wir ein Tier dieser Art vollständig sehen“, sagt Studienleiterin Rochelle Constantine von der University of Auckland.
Biologen hielten Wale zunächst für eine andere Art
Gefunden wurden die tote Walmutter und ihr männliches Kalb bereits im Dezember 2010 am Opape Beach im Norden Neuseelands. „Nach der ersten Untersuchung wurden die beiden Tiere zunächst für Gray-Zweizahnwale gehalten, eine der am häufigsten in Neuseeland strandenden Schnabelwalarten“, berichten die Forscher. Es sei aber sehr schwierig, die einzelnen Schnabelwalarten allein aufgrund ihres Aussehens voneinander zu unterscheiden. Bei ausgewachsenen Männchen nutze man meist Form und Position der Zähne als Bestimmungsmerkmal. Bei Weibchen und Jungtieren wie in diesem Falle könne man dies aber nicht.
Um bei der Artzuordnung ganz sicher zu gehen, entnahmen die Forscher den Tieren daher Gewebeproben und analysierten zwei Abschnitte ihrer mitochondrialen DNA – dem Erbgutteil, der außerhalb des Zellkerns in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien gespeichert wird. Dabei habe sich gezeigt, dass es sich doch nicht um Gray-Zweizahnwale handeln konnte, sagen die Forscher. Stattdessen deuteten die DNA-Abfolgen darauf hin, dass es sich um Bahamonde-Schnabelwale handeln musste. „Wir waren so überrascht, dass wir die Analysen mehrfach wiederholten, bevor wir anderen davon erzählten“, sagt Constantine. Das Ergebnis zeige damit auch, wie hilfreich genetische Analysen seien, um Arten genau zu bestimmen (doi:10.1016/j.cub.2012.08.055).
(Current Biology, 06.11.2012 – NPO)