Wir schauen einem Gegenüber immer zuerst auf die Augen – auch dann, wenn diese nicht im Gesicht sitzen, wie beispielsweise bei einem Fantasiemonster. Das haben britische und kanadische Forscher in einem Experiment festgestellt. Sie testeten, wohin Probanden als erstes blickten, wenn sie Bilder von Menschen, menschenähnlichen Figuren oder aber Monstern mit Augen an den Armen sahen. Bei allen Bildern seien die Blicke zuerst in die Bildmitte gegangen, dann aber direkt zu den Augen der jeweiligen Figuren – egal wo diese saßen. Das zeige, dass nicht die Position der Augen im Gesicht entscheidend sei, sondern dass unser Gehirn die Augen an sich bei einem Gegenüber erkenne und gezielt anvisiere, berichten die Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“. Diese Erkenntnis erlaube auch Rückschlüsse darüber, welcher Gehirnbereich für dieses Verhalten zuständig sei.
„Der Mensch, aber auch Affen, Delfine, Vögel oder Hunde folgen automatisch dem Blick ihres Gegenübers“, schreiben Alan Kingstone von der University of British Columbia und seine Kollegen. Der Blick auf die Augen liefere wichtige Informationen über den Gegenüber und dessen Umgebung. Woran das Gehirn aber erkennt, wohin es dabei schauen muss, war bisher unklar. „Eine Erklärung wäre, dass wir einen Schaltkreis im Gehirn besitzen, der darauf spezialisiert ist, Augen zu erkennen“, sagen die Forscher. Eine andere Möglichkeit wäre aber auch, dass unser Zentrum für die Gesichtserkennung einfach unseren Blick automatisch in die Mitte eines Kopfes lenkt – dort, wo bei den meisten Tieren und dem Menschen die Augen sitzen. Mit ihrem Experiment haben die Forscher nun Indizien dafür geliefert, dass die erste Theorie – ein auf Augen spezialisierter Schaltkreis – zutreffen könnte.
Figuren aus einem Computerspiel als Testobjekte
Für ihre Studie hatten die Forscher 22 Studenten Bilder verschiedener Figuren aus dem Computerspiel Dungeons & Dragons gezeigt. Diese stellten sowohl Menschen und menschenähnliche Figuren dar, wie beispielsweise einen Hirsch mit menschlichem Oberkörper und Kopf, als auch Monster ohne Kopf, die ihre Augen an den Enden der Arme trugen. Alle Probanden trugen einen Helm mit Spezialkameras, die ihre Augenbewegungen filmten und aus der Position ihrer Pupillen ihre Blickrichtung ermittelten.
„Bei allen Bildern bewegten die Probanden ihren Blick zunächst in die Mitte des Bildschirms“, berichten die Forscher. Der zweite Blick sei dann in Richtung der Augen gegangen – bei den Menschen und menschenähnlichen Figuren nach oben in Richtung Gesicht, bei den Monstern zu den Armen. Dieses Ergebnis spreche dafür, dass ein Zentrum im Gehirn Sehorgane unabhängig von ihrer Position erkenne und den Blick dorthin steuere.
Diese Erkenntnis könnte vielleicht auch erklären, warum Menschen mit Autismus anderen oft nicht in die Augen blicken, meinen die Forscher. Möglicherweise sei bei ihnen der Schaltkreis gestört, mit dem die Augen erkannt werden. Als Folge falle es ihnen schwer, den Blick ihres Gegenübers zu erwidern. (doi: 10.1098/rsbl.2012.0850)
(Biology Letters, 31.10.2012 – NPO)