Geowissen

Indo-Australische Kontinentalplatte bricht entzwei

Kilometerlange Einrisse der äußersten Erdkruste lösten schweres Beben im Indischen Ozean aus

Spannungen im Untergrund nach dem Erdbeben vom April 2012 (Weißer Stern) © Fred Pollitz, USGS

Die Erdkruste unter dem Indischen Ozean beginnt zu zerbrechen und bildet eine neue Plattengrenze. Davon zeugt ein schweres Beben, das im April dieses Jahres die Erde vor der Küste Sumatras mit Magnituden bis zu 8,7 erschütterte. Im Fachmagazin „Nature“ berichtet ein internationales Wissenschaftlerteam, dass die unter dem Indischen Ozean liegende Indo-Australische Platte innerhalb von zweieinhalb Minuten an vier Stellen über mehrere Kilometer hinweg einriss. Dabei verschoben sich die Erdmassen südwestlich der indonesischen Insel Sumatra horizontal gegeneinander. Hätten sie sich vertikal bewegt, wäre es vermutlich zu ähnlichen Tsunamis wie nach dem Beben im Jahr 2004 gekommen, als meterhohe Wellen Teile Indonesiens und Thailands überfluteten, sagen die Forscher.

Am 11. April 2012 bebte die Erde vor der Küste Sumatras mit einer Stärke von bis zu 8,7. Das Erdbeben sei eines der schwersten der vergangenen hundert Jahre gewesen, schreiben die Forscher. Im Vergleich dazu erreichte beispielsweise das zerstörerische Beben im vergangenen Jahr in Japan nur eine geringfügig höhere Magnitude von 9,0. „Niemand hatte zu diesem Zeitpunkt ein Beben dieser Stärke im indischen Ozean erwartet“, sagt Thorne Lay von der University of California. Der Geowissenschaftler ist der Leiter von einem der drei Forscherteams, die das Erdbeben im Südwesten Sumatras genauer analysierten. Ihre Ergebnisse stellten sie nun gemeinsam vor.

Risse durchziehen die Kontinentalplatte im Inneren

Für ihre Studien werteten die Forscher Daten von lokalen Messstationen aus, welche die Erschütterungen rund um das Erdbebenzentrum aufgezeichnet hatten. Zusätzlich untersuchten sie aber auch die Ausbreitungs-geschwindigkeit und Stärke der seismischen Wellen weltweit. „Das Erdbeben war eines der seltsamsten, die wir je gesehen haben“, kommentiert Lay. Denn die meisten Beben mit einer Magnitude über 8,0 entstünden dadurch, dass zwei Kontinentalplatten aufeinanderstoßen, wobei eine Platte sich unter die andere schiebt. Im April-Erdbeben hatten sich jedoch offensichtlich die Erdmassen innerhalb der Indo-Australischen Platte horizontal aneinander gerieben, berichten die Geowissenschaftler.

Grenzen und Driftrichtungen der Platten im Indischen Ozean, sowie die Epizentren zweier großer Erdbeben vom 11. April 2012 © Keith Koper, University of Utah

Dies sei nicht nur die größte jemals beobachtete horizontale Verschiebung in der Erdkruste, sondern mit zwei Epizentren auch das stärkste bisher gemessene Erdbeben im Inneren einer Platte, betonen die Forscher. Sie errechneten, dass innerhalb von 160 Sekunden vier bis zu 180 Kilometer lange und 90 Kilometer tiefe Risse entstanden waren. Entlang dieser hätte sich der Meeresboden zwischen 6 und 30 Meter gegeneinander verschoben. Die Ursache des Bebens seien Spannungen innerhalb der Erdkruste, erklären die Wissenschaftler. Denn die Indo-Australische Kontinentalplatte drifte als Ganzes nach Norden, kollidiere dabei aber im Nordwesten mit Asien – und das bremse den westlichen Teil der Platte aus.

Noch hunderte bis tausende ähnlicher Erdbeben werden nötig sein

Die Platte ist auf dem Weg in zwei oder gar drei Teile zu zerbrechen, folgern die Forscher aus ihren Daten. Dies sei ein Prozess, der etwa schon vor 50 Millionen Jahren begonnen hat. „Wo genau die neue Plattengrenze sich durchzieht, ist jedoch noch unklar“, sagt Lay. Denn es seien noch hunderte bis tausende ähnlicher Erdbeben nötig, bis die Platte in einigen Millionen Jahren ganz durchtrennt ist. Die gute Nachricht dabei sei, dass diese horizontalen Erdverschiebungen das Meer kaum in Bewegung setzten und keine Tsunamis auslösten.

Die Forscher fanden allerdings auch heraus, dass sich das ungewöhnliche Beben im indischen Ozean bis auf die andere Seite der Erdkugel auswirkte. In der Woche nach den Erschütterungen registrierten Messstationen fünfmal mehr Erdbeben rund um den Globus, als normalerweise erwartet. So bebte die Erde in dieser Zeit beispielsweise in kaum bewohnten Regionen Kaliforniens, Indonesiens und Japans. Wären diese Erdbeben in Städten aufgetreten, hätten sie zerstörerische Folgen gehabt, warnen die Wissenschaftler. (Nature, 2012; doi: 10.1038/nature11492).

(Nature, University of Utah, 27.09.2012 – IRE)

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