Archäologie

Älteste Elfenbeinwerkstatt der Welt entdeckt

Steinzeitmensch teilte seine Werkstatt schon vor 35.000 Jahren in verschiedene Arbeitsbereiche ein

Dokumentation der Funde durch ein internationales Studententeam. © MONREPOS / Olaf Jöris

In Sachsen-Anhalt haben Archäologen eine 35.000 Jahre alte Elfenbeinwerkstatt entdeckt. In verschiedenen Bereichen fanden sie angefangene Schnitzereien aus Mammutstoßzähnen und Perlen, sowie Abfälle, die bei der Bearbeitung des Rohmaterials anfielen. Diese Werkstatt sei der bislang älteste Nachweis räumlich klar voneinander abgegrenzter Arbeitsbereiche unserer Vorfahren, berichten die Forscher. Er lasse auf eine regelrechte Werkstatt zur Verarbeitung von Mammutelfenbein schließen.

Auf dem mindestens 35.000 Jahre alten Fundplatz Breitenbach in der Nähe von Zeitz in Sachsen-Anhalt graben Archäologen sei 2009 im Rahmen eines internationalen Kooperationsprojektes. Die Siedlung bei Breitenbach ist mit einer Ausdehnung von mindestens 6.000 bis vielleicht sogar 20.000 Quadratmetern die mit Abstand größte bislang bekannte Fundstelle der Jüngeren Altsteinzeit. Erste Grabungen begannen hier bereits in den 1920er Jahren. Allein in der diesjährigen Grabungskampagne kamen bisher etwa 3.000 Fundstücke zu Tage. Das Team um die Grabungsleiter Olaf Jöris und Tim Matthies vom MONREPOS Archäologischen Forschungszentrum des Römisch-Germanischen Zentralmuseums stieß dabei auch auf die Überreste der Elfenbeinwerkstatt.

Die Forscher identifizierten Hinweise auf eine klare räumliche Arbeitsteilung: einerseits einen Bereich, in dem Elfenbeinstücke in Lamellen aufgespalten wurden, sowie einen zweiter Bereich, in dem die Schnitzarbeiten ausgeführt und der Abfall abgelegt wurde. Auch einige der Endprodukte in Form filigraner Elfenbeinperlen und die Rohformen nicht fertig gestellter Stücke blieben hier zurück. Zudem fanden sich hier einige weitere Elfenbeinobjekte, darunter ein verziertes Stäbchen und zwei Fragmente eines plastisch gestalteten Objektes, wohl eines Kunstgegenstandes.

Detail der Elfenbeinwerkstatt. Im hinteren Bildteil ist die größte Anhäufung von Elfenbeinlamellen zu erkennen, in der Bildmitte zwei deutlich begrenzte Anhäufungen von Elfenbeinsplittern, die zwischen 0,1 und ca. 12 mm Länge variieren. © MONREPOS / Olaf Jöris

Steinzeitmensch mit modernem Raumnutzungskonzept

Die Hersteller waren nach Angaben der Archäologen frühe anatomisch moderne Menschen, die auf Mammutelfenbein zurückgreifen konnten, das vermutlich schon lange an diesem Ort lag, sei es, weil hier Mammute auf natürliche Weise verendet waren oder weil sie geschulten Jägern zum Opfer fielen. In letzterem Fall käme neben dem frühen anatomisch modernen Menschen auch der Neandertaler als Täter in Betracht, der wenige Jahrtausende vor der Nutzung der Fundstelle durch den Jetztmenschen bereits ausgestorben war. Die eindeutige räumliche Aufteilung des Fundmaterials nach verschiedenen Arbeitsbereichen deutet aber Raumnutzungskonzepte schon in dieser Zeit vor 35.000 Jahren zu, wie sie der Neandertaler wohl noch nicht kannte.

Die Geländearbeiten in Breitenbach geben somit neue Einblicke in das räumliche Verhalten

steinzeitlicher Menschen am Anfang der Jüngeren Altsteinzeit und speziell in die räumliche Organisation des Siedlungsplatzes und damit des Alltagsgeschehens im sogenannten Aurignacien vor rund 40.000 – 34.000 Jahren. Dieses Anliegen ist nicht zuletzt für das Verständnis der Wurzeln unseres modern-menschlichen Verhaltens von großer Bedeutung. Die Indizien für ein „Sich-Einrichten“ in einer wohl-definierten, festgelegten Weise, wie wir es auch heute gewohnt sind, ist mit den neuen Befunden weltweit erstmals an der Fundstelle Breitenbach belegt.

Angesichts der beispiellos großen räumlichen Ausdehnung des Siedlungsareals bietet der Fundplatz Breitenbach die einmalige Chance einer detaillierten Untersuchung einer Freilandfundstelle aus der Zeit des Aurignacien: So sollen am Beispiel der Fundstelle neue Einblicke in die Komplexität und räumliche Organisation eines früh-jungpaläolithischen Siedlungsplatzes gewonnen werden, an dem auch mit Nachweisen von Schmuck, Kunst, Musik oder gar Bestattungen, die aus dieser Zeit bislang kaum bekannt sind, gerechnet werden darf.

(Römisch-Germanisches Zentralmuseum (RGZM) – Forschungsinstitut für Archäologie, 26.09.2012 – NPO)

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