Forscher haben eine bisher unbekannte Wechselwirkung zwischen der oberen Atmosphäre und dem Ozean entdeckt. Sie könnte dafür verantwortlich sein, dass Meeresströmungen und Klima im Nordatlantik in einem rund zehnjährigen Zyklus schwanken. Wie die deutschen und US-amerikanischen Wissenschaftler feststellten, wirken Windveränderungen in 25 bis 50 Kilometern Höhe direkt auf die Zirkulation im Nordatlantik ein. Dies verändert die für das Klima der Nordhalbkugel wichtige Meeresströmung in dieser Region. Die Entdeckung dieser Wechselwirkung habe bedeutende Auswirkungen auf die Vorhersage des Klimas der kommenden Jahrzehnte und müsse zukünftig in den Klimamodellen berücksichtigt werden, konstatieren die Forscher der University of Utah in Salt Lake City und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg im Fachmagazin “ Nature Geoscience“.
Wie die Forscher berichten, ist es nicht neu, dass die Stratosphäre die darunter liegende Atmosphärenschicht, die Troposphäre beeinflusst. Und auch nicht, dass diese wiederum auf den Ozean wirkt. „Aber jetzt haben wir erstmals belegt, dass es eine direkte Verbindung zwischen allen drei Elementen gibt“, erklärt Erstautor Thomas Reichler von der University of Utah in Salt Lake City. Für ihre Studie hatten die Forscher zunächst Wetter- und Meeresdaten der letzten 30 Jahre ausgewertet und zusätzlich die Veränderungen von Stratosphäre und Ozeanströmungen der letzten 4.000 Jahre mit Hilfe von Computersimulationen rekonstruiert.
Überraschende Parallelen zwischen Meer und Stratosphäre
In den Daten der letzten 30 Jahre stießen die Forscher auf überraschende Parallelen: Wenn sich die Stratosphäre über der Arktis, der sogenannte polare Vortex, ungewöhnlich stark erwärmte und die normalerweise über 120 Kilometer pro Stunde schnellen Winde abflauten, veränderten sich auch die Meeresströmungen im Nordatlantik. So ereigneten sich in den 1980er und 200er Jahren eine ganze Reihe dieser Abschwächungen des polaren Vortex, in den 1990er dagegen keine einzige. Die nordatlantische Umwälzströmung schwächte sich parallel dazu in den 1980er und 2000er Jahren ab, war aber in den 1990ern stark positiv. „Die Stärke der Zirkulation in der Stratosphäre korrespondiert deutlich mit den Veränderungen der Meeresströmungen im Nordatlantik“, sagt Reichler.
Um sicher zu gehen, dass dieser Effekt nicht nur zeitweilig auftrat, kombinierten die Forscher 18 Klima- und Ozeanmodelle, um die Verhältnisse der gesamten letzten 4.000 Jahre zu rekonstruieren. „Die Computersimulation zeigt, dass immer, wenn wir eine Serie dieser Abschwächungen im polaren Vortex haben, auch die Meereszirkulation darauf reagiert“, sagt Reichler. Das belege, dass es einen direkten Einfluss der Stratosphäre auf den Ozean gebe.
Die wiederkehrenden Vortex-Veränderungen erzeugen langlebige Störungen an der Meeresoberfläche, wie die Forscher erklären. Diese setzten sich in größere Tiefen fort und beeinflussten so, wie viel kaltes Wasser im Nordatlantik in tiefere Wasserschichten absinke und wie viel wärmeres Wasser von Süden her aus dem Golfstrom nachfließe. „Signale aus der Stratosphäre können so auf das gesamte Strömungssystem des Meeres wirken“, sagen die Forscher.
Diese Erkenntnis zeige aber auch, dass der Mensch diese Wechselwirkung beeinflussen könne. „Gute Beispiele dafür sind das Ozonloch und die Verbrennung fossiler Brennstoffe, die Treibhausgas bis in die Stratosphäre transportieren“, sagt Reichler. Auch diese menschengemachten Veränderungen wirkten über die Stratosphäre auf den Ozean und damit auf eine wichtige Stellschraube für das globale Klima. (doi:10.1038/NGEO1586)
(Nature Geoscience, 25.09.2012 – NPO)