Paläontologie

Ur-Riesensalamander war vielseitig

Urzeit-Amphibie jagte sowohl im Wasser als auch an Land

Rekonstruktion des Salamanders „Aviturus exsecratus“ © Vasilyan

Heutige Riesensalamander leben nur im Wasser. Aber ihre Vorfahren jagten vor 56 Millionen Jahren auch an Land. Das haben Forscher bei der Untersuchung eines fossilen Riesensalamanders festgestellt. Damit unterscheidet er sich von allen späteren Arten, die ausschließlich im Wasser lebten und leben. Möglicherweise war eine kurze, aber heftige Klimaerwärmung an dieser ungewöhnlichen Anpassung des Urzeit-Salamanders schuld, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „PLoS ONE“.

Riesensalamander („Cryptobranchidae“) sind Amphibien der Superlative: Sie werden bis zu 100 Jahre alt, erreichen eine Körperlänge von zwei Metern und existieren seit mehr als 56 Millionen Jahren. Fossilien von Riesensalamandern sind auf dem eurasiatischen Kontinent relativ häufig zu finden und unterscheiden sich kaum von heutigen Arten: Die Ur-Salamander hatten eine ähnliche Lebensweise und waren genauso groß wie die heutigen ostasiatischen und nordamerikanischen Riesensalamander-Arten. Während diese jedoch in sauerstoffreichen, schnell fließenden Gebirgsgewässern in China, Japan und den USA leben, bewohnten ihre Vorfahren auch Flüsse und Seen im Tiefland.

Geowissenschaftler der Universität Tübingen haben nun noch einen wesentlichen Unterschied festgestellt: Der älteste bekannte Riesensalamander, „Aviturus exsecratus“, sei in der Lage gewesen, sowohl im Wasser als auch an Land zu leben, sagen Madelaine Böhme vom Senckenberg Center for Human Evolution and Paleoecology an der Universität Tübingen und Davit Vasilyan von der Arbeitsgruppe „Terrestrische Paläoklimatologie“. Die Tübinger Forscher hatten Fossilien des „Aviturus exsecratus“, der vor ca. 56 Millionen Jahren in der Süd-Mongolei lebte, vor dem Hintergrund neuester Erkenntnisse untersucht. Dabei konnten sie zeigen, dass dieser seine Nahrung sowohl im Wasser als auch an Land suchte.

Schädelzeichnung des lebenden chinesischen Salamanders (blau) und Schädelrekonstruktion des fossilen mongolischen Salamanders (gelb). © Vasilyan

Die Entwicklung einer Art von einer rein aquatischen zu einer amphibisch-terrestrischen Lebensweise ist mit Riesen- und Dauerwuchs verknüpft und wird Peramorphose genannt. Sie ist bei heute lebenden Amphibien völlig unbekannt. Bisher kannte man solche Individual-Entwicklungen nur von paläozoischen Amphibien wie den vor 300 Millionen Jahren lebenden „Eryops“. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich der „Aviturus exsecratus“ im Wasser von Fischen und wirbellosen Tieren ernährte ‒ darauf weisen Besonderheiten seines Unterkiefers hin. Gleichzeitig jagte er bei Landgängen vermutlich Insekten.

Hinweise für diese terrestrische Adaptation geben seine schweren Knochen, seine langen Hinterbeine, ein stark entwickeltes Geruchsorgan und eine Gaumenbezahnung, die typisch für auf dem Land lebende Salamander ist. Zudem wurden die Überreste dieses riesigen, bis zu zwei Meter großen Tieres in Gesteinen gefunden, die für terrestrische Ufersedimente charakteristisch sind. Als Ursache für diese drastische Veränderung in der Individual-Entwicklung des Salamanders vermuten die Forscher eine sehr kurze globale Klimaerwärmung vor 55,8 Millionen Jahren, das sogenannte Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum. Bei dieser stärksten Klimaveränderung seit dem Aussterben der Dinosaurier nahm die globale Temperatur innerhalb von ca. 20.000 Jahren um sechs Grad zu. (PloS ONE, 2012; doi: 10.1371/journal.pone.0040665)

(Eberhard Karls Universität Tübingen, 21.09.2012 – NPO)

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