Neurobiologie

Reaktion eines Hirnareals macht Schokolade so unwiderstehlich

Opium-ähnliche Substanz weckt Gier nach mehr

Tafelschokoladen © Simon A. Eugster (LivingShadow) / CC BY-SA 3.0

US-Forscher haben festgestellt, was Schokolade so unwiderstehlich macht: Beim Anblick und Verzehr der Süßigkeiten setzt ein kleines Gehirnareal eine opiumähnliche Substanz, Enkephalin, frei. Dieses löst im Gehirn eine Art „Iss jetzt“ und „Iss mehr davon“-Befehl aus. Das haben die Wissenschaftler in einem Experiment mit Ratten herausgefunden. Bei diesen stieg der Enkephalin-Gehalt im Gehirn, sobald sie Schokolade vor sich sahen und zu fressen begannen. Injizierten die Forscher den Tieren in einem Folgeversuch eine kleine Menge Enkephalin in das sogenannte dorsale Neostriatum, schlangen diese anschließend doppelt so viel Schokolade in sich hinein wie normalerweise. Rechne man diesen Konsum von 17 Gramm Schokoladendrops auf einen Menschen um, entspräche dies 3,6 Kilogramm Schokolade, berichten die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.

„Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Enkephalin nicht nur bei Ratten, sondern auch beim Menschen übermäßiges Essen und Suchtverhalten antreibt“, sagt Erstautorin Alexandra DiFeliceantonio von der University of Michigan in Ann Arbor. Der Signalstoff werde beim Anblick von Schokolade und möglicherweise auch anderer süßer und fetthaltiger Nahrung im dorsalen Neostriatum ausgeschüttet und von Opioid-Sensoren aufgenommen. Dieses Hirnareal sei auch aktiv, wenn übergewichtige Menschen Nahrung erblicken oder wenn Drogensüchtige Videos von Drogenszenen vorgespielt bekommen. Neben den bekannten Belohnungssystemen spiele demnach auch dieses Hirnareal eine wichtige Rolle für das unmäßige Essen von Schokolade und Co.

„Die Ausschüttung des Enkephalins im dorsalen Neostriatum steigert die Gier der Ratten auf die Schokolade“, erklären die Wissenschaftler. Den Tieren habe die Schokolade dabei nicht besser geschmeckt als sonst, sie wollten einfach nur schnell und viel davon fressen. Das zeigte sich in einem weiteren Versuch. In diesem verglichen die Forscher bei den Ratten typische, unbewusst auftretende Signale für Wohlbehagen, wie beispielsweise das Herausstrecken der Zunge, während diese unter normalen Bedingungen Süßes fraßen und während sie zusätzliches Enkephalin bekamen. In beiden Versuchsvarianten reagierten die Ratten gleich, das Enkephalin beeinflusste demnach nicht ihre Geschmacksempfindung, so die Schlussfolgerung der Forscher.

Diese Ratte durfte im Experiment so viele Schokoladendrops essen wie sie wollte. © Current Biology, DiFeliceantonio et al.

Schokolade löst rapiden Anstieg von Signalstoff aus

Für ihre Studie hatten die Forscher erwachsenen Ratten einen Mikrosensor in das dorsale Neostriatum eingepflanzt. Dadurch konnten sie verfolgen, wie sich die Konzentrationen des Enkephalins und anderer Signalstoffe in diesem Hirnareal veränderten. Anschließend legten die Forscher den Tieren einen Haufen Schokoladendrops in den Käfig. „Die Ratten begannen sofort zu fressen und gleichzeitig stiegen die Konzentrationen von Enkephalin in ihrem Gehirn bis auf 150 Prozent des Normalwerts an“, berichten die Forscher. Erst als die Ratten aufhörten zu fressen, seien die Werte innerhalb von rund 40 Minuten wieder abgesunken. Andere Signalstoffe hätten sich dagegen nicht verändert.

In einem nächsten Test injizierten die Forscher den Ratten eine kleine Menge Enkephalin direkt in das dorsale Neostriatum. Bekamen diese dann Schokolade angeboten, fraßen sie deutlich schneller als zuvor und verzehrten doppelt so viele Schokoladendrops wie ohne diese Manipulation. Sei den Tieren dagegen ein anderes körpereigenes Opioid injiziert worden, habe dies nicht diese Wirkung gehabt, berichten die Wissenschaftler. (doi:10.1016/j.cub.2012.08.014)

(Current Biology, 21.09.2012 – NPO)

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