Korallen sind nicht nur durch steigende Temperaturen und saures Wasser bedroht – auch Bohrschwämme, die ihre Kalkskelette zerstören, könnten in Zukunft häufiger werden. Das hat ein australisch-deutsches Forscherteam herausgefunden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schwämme von dieser Folge des Klimawandels profitieren, während Korallenriffe dadurch bedroht sind, wie die Forscher im Fachjournal „PLoS ONE“ berichten.
Steigende Kohlendioxid-Konzentrationen wirken nicht nur auf die Atmosphäre, sondern auch auf die Ozeane: Kohlendioxid reagiert mit Wasser zu Kohlensäure, welche das Meer saurer werden lässt. Der mit der Versauerung einhergehende sinkende pH-Wert hat einen erheblichen, meist negativen Einfluss auf viele Lebewesen unserer Weltmeere. „Insbesondere jene Organismen, die ihre Skelette aus Kalk aufbauen, wie beispielsweise Korallen, müssen mehr Energie aufwenden, um ihr Skelett in dem saureren Milieu zu bilden und vor Auflösung zu schützen“, erklärt Max Wisshak von Senckenberg am Meer in Wilhelmshaven. „Im Gegensatz dazu – so unsere Hypothese – müssten Lebewesen, die durch Bioerosion biochemisch Kalkskelette auflösen, zukünftig ein leichteres Spiel haben und somit zu dem kleinen Kreis der Klimawandel-Gewinner zählen.“
Um diese Theorie zu testen, hat das Senckenberg-Forscherteam in Kooperation mit dem Australian Institute of Marine Science und dem GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel am australischen Great Barrier Reef, dem größten Korallenriff der Erde, aufwendige Experimente mit dem Bohrschwamm Cliona orientalis durchgeführt. Dieser weit verbreitete Hornkieselschwamm zählt zu den aggressivsten Zerstörern von Kalkriffen und wird wahrscheinlich in Zukunft noch stärker für den Abbau vieler Korallenskelette am Great Barrier Reef verantwortlich sein.
Mehr Zerstörung durch Schwämme bei saurem Wasser
„Wir konnten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem pH-Wert des Meerwassers und der Bioerosionsleistung der Schwämme belegen“, sagt Wisshak. „Unsere Ergebnisse lassen eine bis zu 25-prozentige Steigerung der Schwammbioerosion bis zum Ende dieses Jahrhunderts erwarten.“ Da Bohrschwämme meist ohnehin für den Löwenanteil der Bioerosion in Korallen an tropischen Riffen verantwortlich sind, werden Korallenriffe durch eine ansteigende Ozeanversauerung gleich einer doppelten Belastung ausgesetzt sein: der Erschwerung ihres Skelettwachstums, sowie einer verstärkten Schwächung der Skelette durch Bioerosion. „Das kann dazu führen, dass an Korallenriffen zukünftig Abbauprozesse die Oberhand im Vergleich zum Gerüstwachstum der Korallen gewinnen. Die Riffe wären somit durch einen weiteren Faktor in ihrer Existenz bedroht“, erläutert der Wilhelmshavener Meeresgeologe.
Der Temperaturanstieg der Weltmeere – ebenfalls eine Folge der derzeitigen globalen Umweltveränderungen – hatte im Experiment dagegen nur einen geringen Einfluss auf die Bioerosionsleistung der Bohrschwämme. Was den Schwämmen egal ist, hat auf die Korallen große Auswirkungen: Durch höhere Temperaturen bleichen Korallen aus und diese Stresswirkung kann letztendlich zu einem dramatischen Massensterben führen. Folgen eines großen Korallensterbens wären verheerend, denn die Riffe beheimaten viele Meerestiere und sind die Basis einer komplexen Nahrungskette – bis hin zum Menschen. (PloS ONE, 2012; doi: 10.1371/journal.pone.0045124)
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 20.09.2012 – NPO)