Medizin

Stammzelltherapie heilt Schwerhörigkeit

Wissenschaftler pflanzen künstlich herangezogene Haarzellen in taube Wüstenmausohren

Menschliche Zellen (grün) bevölkern die Hörschnecke von schwerhörigen Wüstenmäusen und bilden Nervenzellen (gelb) aus. © Marcelo Rivolta, University of Sheffield

Mithilfe von Stammzellen hat ein internationales Wissenschaftlerteam Zellen entwickelt, die schwerhörigen Wüstenmäusen wieder zum Hören verhalfen. Dabei konzentrierten sich die Forscher auf sensorische Haarzellen im Innenohr. Denn Gehörlosigkeit wird oftmals durch das Absterben dieses Gewebes ausgelöst. Um es nachzubilden, ahmten die Wissenschaftler jene Signale in Stammzellen nach, die in der embryonalen Entwicklung von Ohrzellen vorzufinden sind. Dadurch bildeten sich Vorläufer der sensorischen Haarzellen und damit verbundener Nervenzellen. Als sie diese Vorläufer in das Ohr von schwerhörigen Wüstenmäusen einpflanzten, gewannen die Tiere ihr Hörvermögen wieder zurück, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature“. Eine ähnliche Wirkung würde heute bei Menschen bereits durch künstliche Hörprothesen erzielt. Die Forscher betonen jedoch, dass die Stammzellentherapie einer breiteren Masse an Schwerhörigen Patienten helfen könnte.

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Wenn Schallwellen durch die feinen Härchen im Ohr nicht mehr registriert werden, wird der Mensch schwerhörig oder gar taub. Durch Hörprothesen, kann der Verlust dieser sensorischen Haarzellen heute bereits teilweise ausgeglichen werden. Anstatt über die Haarzellen werden dabei die Schallwellen elektronisch an den Hörnerv weitergegeben. Dazu müsse jedoch der Hörnerv noch intakt sein, erklären Wei Chen von der University of Sheffield und seine Kollegen. In jenen Fällen, in denen dies nicht der Fall sei, könnte die Stammzellentherapie ansetzen. Denn Mithilfe dieser Zellen sei es möglich nicht nur die Haarzellen zu ersetzen, sondern auch die daran angebundenen Nervenzellen zu erneuern.

Um diese Therapiemöglichkeit genauer zu überprüfen, hatten die Wissenschaftler in einer früheren Studie bereits teilweise ausdifferenzierte Hörstammzellen aus dem menschlichen Fötus isoliert. Diese Zellen hatten zwar die Fähigkeit, sich in Haarzellen sowie Nervenzellen des Hörorgans weiterzuentwickeln. Es zeigte sich jedoch, dass ihre Fähigkeit sich zu vermehren, begrenzt ist, berichten die Forscher. Sie schafften nur etwa 25 Replikations-Zyklen. Da dies also nicht die Lösung für eine verlässliche, stets erneuerbar Quelle an Hörstammzellen war, versuchten die Wissenschaftler es mit embryonalen Stammzellen. Das sind Zellen, die sich noch in jede Art von Gewebe ausdifferenzieren können, seien es Nerven- Haar- oder Muskelzellen.

Wissenschaftler schauen sich Signale von Mäusen ab

Um Stammzellen anzuregen, sich in eine bestimmte Zellart umzuwandeln, bedarf es bestimmter Signalstoffe. Bei Mäusen waren diese für die Hörzellenentwicklung bereits bekannt. Da der Organismus der Nager dem menschlichen stark gleicht, versuchten sie mit den gleichen Signalen auch menschliche Stammzellen zur Umwandlung anzuregen. In Versuchen mit Zellkulturen erzeugten die Wissenschaftler auf diese Weise in der Tat Vorläufer von sensorischen Haarzellen sowie den damit verbundenen Nervenzellen.

Um auch die Funktionalität dieser Vorläufer im Organismus zu testen, implantierten die Forscher die künstlich erzeugten Zellen in die Hörschnecke schwerhörige Wüstenmäuse. Anschließend beobachten sie die Mäuse über zehn Wochen hinweg. Das Ergebnis war: Nicht nur die Nervendichte wuchs merklich in den Mäuseohren, nach vier Wochen fing auch ihr Hörvermögen an, sich zu verbessern, schreiben die Forscher. Dabei konnten die Tiere im Verlauf des Untersuchungszeitraums immer leisere Geräusche wahrnehmen.

Ihre Studie deute darauf hin, dass die Stammzellentherapie das Hörvermögen auch beim Menschen wieder herstellen kann, sagen die Forscher. Sie könnte damit schließlich auch das Gehör jener Patienten verbessern, bei denen eine Hörprothese keine Wirkung zeigt, da ihr Hörnerv beschädigt ist. Dabei würde das Hörgerät keineswegs nutzlos werden. Beide Therapien könnten sich vielmehr in ihrer Wirkung ergänzen und so einer breiten Masse an Hörgeschädigten helfen. “ (doi: 10.1038/nature11415)

(Nature, 13.09.2012 – INR)

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