Neurobiologie

Für Ballspieler vergeht die Zeit vor dem Schlag tatsächlich langsamer

Gehirn verarbeitet mehr Einzelschritte der visuellen Information als sonst

Tennisspieler beim Vorhandschlag. © Charlie Cowins (chascow) / CC BY 2.0

Britische Forscher haben aufgeklärt, warum Tennisspieler den Ball beim Schlagen oft wie in Zeitlupe auf sich zukommen sehen: Bereitet sich das Gehirn auf eine schnelle gezielte Bewegung vor, erhöht es die Auflösung der optischen Wahrnehmung. Es verarbeitet im gleichen Zeitraum mehr Einzelschritte als sonst. Dadurch erscheint die Zeit subjektiv verlangsamt. Das stellten die Wissenschaftler mit Hilfe von Experimenten mit Freiwilligen fest. „Vor einer geplanten, schnellen Bewegung ist es entscheidend, diese Aktion noch in letzter Sekunde ändern oder stoppen zu können“, erklären Nobuhiro Hagura und seine Kollegen vom University College London. Beispielsweise um einen Baseball- oder Tennisschläger der Flugbahn des Balles anzupassen. Um das zu ermöglichen, verarbeite das Gehirn Umweltreize in dieser Phase der Vorbereitung schneller, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“.

„Wir haben damit einen neuen Typ der Zeitverzerrung entdeckt, der auftritt, wenn wir uns auf eine gezielte ballistische Bewegung vorbereiten“, schreiben Hagura und seine Kollegen. Diese Zeitdehnung unterscheide sich in ihren Mechanismen deutlich von dem bereits zuvor bekannten Effekt der sogenannten Chronostasis. Bei dieser erscheint nach einem traumatischen oder besonders stressigen Ereignis ebenfalls subjektiv die Zeit verlangsamt. Dies aber beruhe darauf, dass das Gehirn rückwirkend das Zeitgefühl verändere, erklären die Forscher. Bei dem neu entdeckten Effekt gelte dies nicht. Er sei eng mit der unmittelbar bevorstehenden Bewegung und der innerlichen Vorbereitung darauf verbunden.

Hirnbotenstoff Dopamin könnte am Effekt beteiligt sein

Die Wissenschaftler vermuten, dass der Hirnbotenstoff Dopamin in Teilen für diesen Effekt verantwortlich sein könnte. Denn von diesem wisse man, dass er eine wichtige Rolle für die Bewegung spiele, aber auch für die innere Uhr. „Parkinson-Patienten mit Dopaminmangel beispielsweise haben Schwierigkeiten, Bewegungen zu initiieren, empfinden interessanterweise aber auch oft die Zeit als verkürzt“, erklären die Forscher. Ihrer Ansicht nach könnte daher bei den Tennis- oder Baseballspielern das Umgekehrte der Fall sein: Kurz vor dem Schlag schüttet ihr Gehirn mehr Dopamin aus, was die schnelle Bewegung erleichtert und die Zeitwahrnehmung verlangsamt.

Für ihre Studie hatten die Forscher die Zeitwahrnehmung von 56 Studienteilnehmern in verschiedenen Versuchsvarianten getestet. In einer davon sollten die Probanden einen Knopf so lange drücken, wie sie einen ausgefüllten Kreis auf dem Computerbildschirm sahen. Dieser erschien jeweils unterschiedlich lange. Sobald die Füllung des Kreises verschwand, sollten sie den Knopf loslassen und stattdessen so schnell wie möglich mit dem rechten Zeigefinger die Kreissilhouette berühren. Ihre Reaktionszeit wurde gemessen, zudem sollten sie angeben, ob der Kreis ihrem Gefühl nach lange Zeit oder nur kurz gefüllt war. Eine Kontrollgruppe erhielt diese Aufgabe ohne die Zeigebewegung. Die Gruppe, die sich innerlich auf die Zeigebewegung vorbereitete, habe mehr Intervalle als „lang“ eingestuft als die Kontrollgruppe, berichten die Forscher.

In einem weiteren Test ließen Hagura und seine Kollegen den ausgefüllten Kreis in unterschiedlichem Tempo flackern. Auch dabei sollten die Probanden hinterher beurteilen, ob sie das Flackern jeweils als schnell oder langsam empfanden. Die Teilnehmer, die sich innerlich auf das Signal zum Zeigen vorbereiteten, hätten dabei mehr Frequenzen als langsamer eingestuft als die Kontrollgruppe. „Die höheren Frequenzen erschienen ihnen als langsamer als sie tatsächlich waren“, erklären die Forscher. Dieser Effekt sei umso stärker, je gezielter die anschließende Bewegung vorbereitet werden könne – beispielsweise wenn die Probanden schon vorher wussten, wo auf dem Bildschirm das zu berührende Ziel erscheinen würde. (doi:10.1098/rspb.2012.1339)

(Proceedings of the Royal Society B, 05.09.2012 – NPO)

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