Ein riesiges Einschlagsbecken am Südpol, tiefe Furchen um den Äquator, dunkles Material an den Kratern – der Asteroid Vesta, den die Raumsonde Dawn seit Juli 2011 mit einem deutschen Kamerasystem an Bord umkreiste, hat die Wissenschaftler ins Staunen gebracht. Jetzt aber heißt es Abschied nehmen: Die Sonde schwenkt Anfang September aus der Umlaufbahn und fliegt weiter zum Zwergplaneten Ceres. Unter dessen eisiger, von dunklem Kohlenstoff bedeckten Kruste könnte ein Ozean aus Wasser die Wissenschaftler erwarten.
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Mit dem Flug zu Ceres, dem größten bisher entdeckten Asteroiden, der erst vor kurzem von der Internationalen Astronomischen Union den Status eines Zwergplaneten erhalten hat, beginnt ein neues Kapitel der Dawn-Mission. Erstmals wird eine Raumsonde den Orbit eines Körpers verlassen, um anschließend einen weiteren Himmelskörper anzufliegen und aus dessen Umlaufbahn zu beobachten. Im Februar 2015 soll Dawn an ihrem neuen Ziel, 415 Millionen Kilometer entfernt von der Sonne, ankommen. Dabei ist Ceres ein Objekt, wie es kaum gegensätzlicher zu Vesta sein könnte: Statt einer festen Gesteinskruste wie bei Vesta wird Ceres über seinem inneren Gesteinskern eine Außenschicht aus Eis besitzen. In dieser Schicht könnte auch Wasser enthalten sein. Eventuell könnte der Zwergplanet auch eine hauchdünne Atmosphäre haben. „Bisher ist noch nie ein Raumschiff in einer Umlaufbahn um solch einen Körper gekreist“, betont Planetenforscher Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Einschläge hinterließen einen Scherbenhaufen
Schon jetzt, nach Ende des ersten Missionsteils, hat Dawn für reichlich Daten und viele Überraschungen gesorgt. „Die Erwartungen an die Mission wurden mehr als erfüllt“, sagt Jaumann. „Wir wissen zum Beispiel, dass Vesta ein so genannter differenzierter Körper ist, also wie ein Planet in drei Schichten – Kern, Mantel und Kruste – aufgebaut ist.“ Zudem haben die spektralen Signaturen des Asteroiden bestätigt, dass eine bestimmte, seltene Sorte von auf der Erde entdeckten Meteoriten von der Vesta stammt. Gleich zwei Mal wurde der Himmelskörper zudem selbst von einem mächtigen Einschlag an seinem Südpol erschüttert, so dass zwei riesige, sich überlagernde Becken an dieser Stelle entstanden. Rund um den Äquator hat sich durch die Einschläge ein System aus Furchen gebildet. „Dass gleich zwei Mal im Laufe der Zeit so große Kollisionen an ein und derselben Stelle stattfanden, ist sehr ungewöhnlich“, sagt Jaumann.
Doch diese erstaunliche Tatsache hat auch für die Wissenschaftler und ihre Forschung Konsequenzen: Statt auf eine intakte Kruste blicken zu können, sehen die Planetenforscher auf ein wahres Trümmerfeld. „Die Einschläge haben die ursprüngliche Kruste zerstört und mit diesen Trümmern zudem Teile der intakten Kruste überdeckt“, sagt Jaumann. „Wir sehen also auf Auswurfmassen die gerade einmal ein bis zwei Milliarde Jahre alt sind – und das ist für Planetengeologen verdammt jung. „Wie ein Scherbenhaufen seien Trümmer und Auswürfe fast über den gesamten Asteroiden verteilt. „Diesen Scherbenhaufen müssen wir jetzt wie ein Puzzle zusammensetzen.“
Rätsel um dunkles Material
Die mehr als 28.000 Bilder, die die deutsche Kamera an Bord während der bisherigen Mission von Vesta aufzeichnete, zeigen zudem dunkles Material an und in den zahlreichen Kratern. Woher stammt dieses dunkle Material? Und welche Prozesse liefen in der Vergangenheit auf dem Asteroiden Vesta ab? „Diese Beobachtung gibt es uns viele Rätsel auf“, betont DLR-Planetenforscher Jaumann. Auch die große Menge Wasserstoffprotonen, die die Wissenschaftler des Dawn-Teams auf Vesta feststellten, werfen Fragen auf. Ein Teil von ihnen könnte aus dem Sonnenwind stammen – „aber auf Vesta gibt es bedeutend mehr Wasserstoffprotonen, als wir erwartet haben.“Auch für die unterschiedlichen, teilweise sehr ungewöhnlichen Kraterformen haben die Planetengeologen noch keine endgültige Erklärung. „Wir gewinnen erst langsam ein Verständnis dafür.“
Bis die Geschichte von Asteroid Vesta erklärt werden kann, werden noch Generationen von Forschern mit den bisher gewonnenen Daten arbeiten, schätzt Jaumann. „Wir haben bisher nur an der Oberfläche gekratzt.“ In dem einen Jahr, in dem Dawn um Vesta kreiste, haben die Wissenschaftler des DLR die gesamte Oberfläche des Asteroiden vermessen und kartiert. Auch wenn Vesta kleiner ist als ein Planet, ist die Schnelligkeit mit der die Geologen, Physiker und Photogrammeter des DLR diese Vermessungsaufgabe durchgeführt haben ein Rekord für sich. Nun sollen die Erkenntnisse zur Topografie mit Ergebnissen beispielsweise von Gravitations- und Spektralmessungen im Zusammenhang betrachtet werden. „Es gibt noch sehr viele Fragen, die wir noch nicht beantwortet haben.“
(Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 31.08.2012 – NPO)