Kinder in Deutschland werden meist erst nach ihrer Einschulung dick. Bis zum Alter von fünf Jahren sind die meisten von ihnen sogar etwas schlanker als noch vor rund 20 Jahren. Mit acht Jahren aber haben 20 Prozent von ihnen bereits Übergewicht. Das zeigt eine Studie Mainzer Forscher. Ursache dieser Zunahme sei aber höchstwahrscheinlich nicht die Schule selbst. Stattdessen führe vermutlich die Umstellung der Lebensweise und vor allem das häusliche Umfeld dazu, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Obesity“.
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Deutsche Kinder werden immer dicker, die Anzahl der übergewichtigen Grundschüler ist in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen. Wann die Gewichtszunahme einsetzt, haben Forscher um den Sportmediziner Perikles Simon von der Universität Mainz jetzt untersucht. Sie analysierten dazu Daten der 2003 bis 2006 laufenden Studie „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS). Mit Hilfe einer speziellen statistischen Methode ermittelten sie, wann sich in den Daten größere Veränderungen des Gewichts der Kinder finden.
Plötzliche Wende mit sieben Jahren
Ihr Ergebnis: Bis zum Alter von 5 Jahren verhält sich die Gewichtsentwicklung von Kindern in Deutschland noch genauso wie vor rund 20 Jahren. Rund zehn Prozent der Kinder sind in diesem Altersspektrum damals wie heute als übergewichtig zu klassifizieren. In den ersten fünf Lebensjahren lässt sich sogar eine leichte Tendenz erkennen, dass Kinder vergleichsweise leichter sind als noch vor 20 Jahren. „Es folgen dann drei Jahre, in denen wir im Gegensatz zu einer internationalen und einer deutschen Vergleichspopulation von damals plötzlich eine deutliche Zuwachsrate an Übergewicht ausfindig machen können“, erklärt Mitautor Sascha Hoffmann von der Universität Mainz (JGU).
Das Maximum der Zunahme an übergewichtigen Kindern ist demnach in Deutschland recht eng begrenzt. Am meisten legen die Kinder etwa mit 7,2 Jahren zu. Mit acht Jahren sind dann schon über 20 Prozent der deutschen Kinder übergewichtig. Diese Quote an Übergewichtigen bleibt durch die vermeintlich kritische Phase der Pubertät hindurch bis zur Volljährigkeit relativ konstant. Diese Erkenntnis liefert nach Ansicht der Forscher wichtige Ansatzpunkte für die Bekämpfung des fortschreitenden Übergewichts in Deutschland.
Wurzeln liegen schon im Kindergartenalter
In weiteren Untersuchungen wollen sie nun herausfinden, wie die Gewichtsanstiege in gerade dieser Lebensphase zu erklären sind. Simon warnt davor, die Gründe für den Gewichtsanstieg insbesondere im schulischen Alltag zu vermuten: „Unsere Kinder wurden auch schon vor 20 Jahren eingeschult und kommen auch heute in ein ähnliches schulisches Umfeld. Nur früher war eben keine rapide Zunahme des Übergewichts zu verzeichnen. Wir gehen hier von einem recht komplexen Zusammenspiel mehrerer Faktoren aus, die aber wahrscheinlich überwiegend im häuslichen Umfeld der Kinder zu suchen sind.“
Für die Forscher steht ferner fest, dass die Grundlagen für eine relativ rapide Zunahme des Anteils an Übergewichtigen während des ersten Schuljahrs höchstwahrscheinlich schon im Kindergartenalter gelegt werden. Hierzu wurde bereits eine Basisdatenerhebung in 35 Mainzer Kindertagesstätten durchgeführt, um das Phänomen näher zu untersuchen. (Obesity, 2012; doi: 10.1038/oby.2012.172)
(Universität Mainz, 16.08.2012 – NPO)