Chemie

Teamwork gegen Benzol

Mikrobielle Arbeitsgemeinschaft trägt zum Abbau des Umweltschadstoffs bei

Benzolring © Gemeinfrei

Der krebserregende Schadstoff Benzol kann Boden und Grundwasser nach Chemieunfällen oder an alten Industriestandorten stark belasten. Es gibt allerdings Bakterien, die diese Verbindung sogar ohne Sauerstoff abbauen können. Deutsche Forscher haben jetzt gleich drei Teams von mikrobiellen Schadstoffbeseitigern entdeckt, die bei diesem Abbau jeweils verschiedene Aufgaben übernehmen. Die in ihrer Studie eingesetzte Methode könne auch helfen, die komplexen Vorgänge in anderen Bakterien-Kooperativen aufzuklären, berichten die Forscher im Fachmagazin „ISME Journal“.

Benzol ist krebserregend und schädigt das zentrale Nervensystem. Gleichzeitig aber ist die Kohlenwasserstoffverbindung auch ein wichtiger Rohstoff: Aus ihm werden die verschiedensten Produkte von Kunststoffen und Harzen bis hin zu Pflanzenschutzmitteln und Farben hergestellt, zudem ist es ein wichtiger Bestandteil von Benzin. „In Deutschland gibt es zwar seit Jahren immer weniger Probleme mit diesem Schadstoff“, sagt Martin von Bergen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Für andere Länder aber gelte das aber keineswegs: „In China zum Beispiel nimmt die Belastung stark zu“. So flossen dort im November 2005 nach einem Unfall in einem Chemiewerk etwa 100 Tonnen Benzol in den Fluss Songhua. Ein 80 Kilometer langer Giftteppich entstand und erreichte die Millionenstadt Harbin. Die Trinkwasserversorgung der Metropole musste unterbrochen werden.

Es gibt Bakterien, die eine solche Belastung auch wieder abbauen können. Doch wenn der Schadstoff im Boden versickert, erreicht sie bald Regionen, die nur wenig oder gar keinen Sauerstoff enthalten. „Und was dort passiert, weiß noch niemand so genau“, sagt von Bergen. Denn man kannte bisher weder die beteiligten Akteure noch ihre biochemische Ansatzstelle. Die neue Studie zeichnet nun zum ersten Mal ein recht detailliertes Bild von der Gemeinschaft der Benzol-Abbauer. Um herauszufinden, wie die Arbeitsteilung unter den mikrobiellen Benzol-Fans aussieht, haben sich die Forscher Bakteriengemeinschaften aus dem belasteten Grundwasser unter dem ehemaligen Hydrierwerk Zeitz in Sachsen-Anhalt ins Labor geholt. Diesen Mikroben gaben die Forscher Benzolmoleküle als Nahrung, die ungewöhnlich viel des schweren Kohlenstoff-Isotops C13 enthielten. Indem sie hinterher Bruchstücke der Bakterienproteine mit einem Massenspektrometer analysierten, konnten sie feststellen, welche Bakterien das Benzol verarbeiteten.

Untersuchung von Proben verseuchten Grundwassers vom Gelände des ehemaligen Hydrierwerkes Zeitz in Sachsen-Anhalt. © Martin Taubert/UFZ

Ein Team von mikrobiellen Schadstoffbeseitigern

„Diese Untersuchung liefert zwei interessante Informationen“, erklärt von Bergen. Durch Vergleiche mit Datenbanken könne man zum einen bestimmen, aus welchen Bakteriengruppen die Proteinfragmente stammen. Um diese Ergebnisse zu überprüfen, haben die Forscher mit modernen Untersuchungsmethoden auch einen Blick ins Erbgut der Mikroben-Crew geworfen. „So konnten wir einen genetischen Überblick über die Mitglieder der Bakteriengemeinschaft gewinnen“, sagt der UFZ-Forscher.

Noch interessanter aber war das zweite Resultat der Isotopenanalysen. Denn diese verraten auch einiges über den Stoffwechsel der einzelnen Organismen. „Je nach Nahrungsquelle gibt es da bestimmte typische Muster“, erläutert von Bergen. So haben die Forscher eine Gruppe von Bakterien identifiziert, bei denen der 13C-Gehalt sofort ansteigt und sich dann kaum noch weiter erhöht. Diese Mikroben ernähren sich direkt vom 13C-Benzol. Bei einer zweiten Gruppe tauchen dagegen erst mit der Zeit immer größere Mengen des Isotops in den Proteinen auf. Diese Organismen verwerten den Schadstoff nicht direkt, sondern leben von dessen Abbauprodukten. Und schließlich gibt es noch eine dritte Gruppe, deren 13C-Gehalt die ganze Zeit über niedrig bleibt. Dabei handelt es sich vermutlich um Aasfresser, die von den Überresten anderer Bakterien leben. „Es ist uns damit gelungen, den Weg von Atomen des Benzols durch die ganze Bakteriengemeinschaft zu verfolgen“, freut sich von Bergen.

Die Forscher haben nicht nur herausgefunden, wer was in welchen Mengen frisst. Sie wissen nun auch mehr darüber, wie die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Bakterienteams funktioniert. So produzieren die Direktverwerter beim Abbau des Benzols vermutlich sowohl Acetat als auch Wasserstoff. Beide Substanzen aber müssen sie loswerden, sonst hemmen sie ihren Stoffwechsel. Dabei kommen ihnen die Organismen der zweiten Gruppe zu Hilfe, die nur indirekt von dem Schadstoff leben. Sie nutzen das Acetat als Kohlenstoffquelle und entfernen den Wasserstoff.

Neuer Blick auf Klärschlamm und Darm

„Solche Kooperationen gibt es natürlich nicht nur bei den Benzol-Abbauern“, sagt Martin von Bergen. Er und seine Kollegen hoffen, mithilfe ihrer Methoden künftig auch andere komplexe Bakteriengemeinschaften analysieren zu können. So ließe sich beispielsweise herausfinden, wie die verschiedenen Mikroben in Biogasanlagen oder im Klärschlamm zusammenarbeiten. Wer das versteht, kann die Prozesse in solchen Anlagen möglicherweise besser steuern. Und auch für die Medizin lässt sich durch solche Untersuchungen einiges lernen. Man weiß zum Beispiel, dass dünne Menschen andere Mikroorganismen im Magen-Darm-Trakt haben als dicke. Zudem scheint die Bakterienflora auch das Immunsystem zu beeinflussen. Über all diese Zusammenhänge wüsste man gern mehr, um Menschen eventuell beim Abnehmen helfen oder ihre Abwehrkräfte stärken zu können. (The ISME Journal, 2012; doi:10.1038/ismej.2012.68)

(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 27.07.2012 – NPO)

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