Pulsare sind kosmische Leuchttürme der Superlative. Die kompakten Neutronensterne drehen sich mehrmals pro Sekunde um die eigene Achse und senden dabei Radio- und Gammastrahlung ins All. Mithilfe raffinierter Datenanalyse haben Forscher nun einen ganz besonderen Gammapulsar entdeckt. Das Objekt mit der Bezeichnung PSR J1838-0537 ist sehr jung und dreht sich sehr unruhig: Während der Beobachtungszeit registrierten die Astronmoen bei ihm den bisher stärksten bei reinen Gammapulsaren beobachteten Ruck in drt Drehbewegung.
Reine Gammapulsare lassen sich sehr schwer identifizieren, denn ihre Eigenschaften wie etwa die Rotationsperiode und deren zeitliche Änderung sind unbekannt. Und auch ihre exakte Position am Himmel können die Astronomen aus den Daten des NASA-Weltraumobservatoriums Fermi nur näherungsweise bestimmen. Sie müssen daher die Existenz eines Pulsarsignals bei einer Vielzahl von Kombinationen dieser Eigenschaften in einer rechenzeitaufwändigen Blindsuche überprüfen. Auch Hochleistungs-Rechnersysteme geraten dabei schnell an ihre Grenzen. Doch die Forscher nutzten ursprünglich zur Analyse von Gravitationswellendaten entwickelte Algorithmen, um die Fermi-Daten besonders effizient zu durchsuchen. Nun machten die Wissenschaftler mit dieser Methode einen außergewöhnlichen Fund.
Ein frisch entdeckter Pulsar verschwindet
„Der Pulsar J1838-0537 ist mit einem Alter von 5.000 Jahren sehr jung. Er dreht sich rund siebenmal pro Sekunde um die eigene Achse und befindet sich am Himmel in Richtung des Sternbilds Schild“, sagt Holger Pletsch, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Hannover und Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie. „Nach der Entdeckung waren wir sehr überrascht, dass der Pulsar zuerst nur bis September 2009 sichtbar war. Danach schien er plötzlich zu verschwinden.“
Erst mit einer aufwändigen Folgeanalyse kam ein internationales Wissenschaftlerteam dem Geheimnis des Pulsars auf die Spur: Er verschwand nicht, sondern erfuhr einen Ruck (englisch glitch), nach dem er sich plötzlich um 38 Millionstel Hertz schneller drehte als zuvor. „Diese Differenz mag verschwindend klein erscheinen, doch es ist der größte jemals bei einem reinen Gammapulsar gemessene Glitch“, erklärt Bruce Allen, Direktor am AEI. Und dieses Verhalten hat Folgen: „Bereits nach acht Stunden geht dadurch in unserer Zählung eine komplette Umdrehung des Pulsars verloren und wir können nicht mehr feststellen, zu welcher Rotationsphase die Gammaphotonen den Detektor an Bord von Fermi erreichten“, ergänzt Pletsch. Das Blinken des Neutronensterns werde auf diese Weise praktisch unsichtbar. Berücksichtigen die Forscher den Glitch und korrigieren die Rotationsänderung, taucht der Pulsar erneut in den Messdaten auf.
Ursache des Rucks noch unbekannt
Die genaue Ursache der bei vielen jungen Pulsaren beobachteten Glitches ist bislang unbekannt. Astronomen ziehen Beben der Neutronensternkruste oder Wechselwirkungen des suprafluiden Sterninneren mit der Kruste als mögliche Erklärungen heran. „Eine große Zahl vor allem von starken Glitches bei Pulsaren zu erfassen, bietet eine Möglichkeit, mehr über den inneren Aufbau dieser kompakten Himmelskörper zu erfahren“, sagt Lucas Guillemot, vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn, der Zweitautor der Studie.
Auffällige Übereinstimmungen gab es mit Beobachtungen des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) in Namibia, das nach hochenergetischer Gammastrahlung aus den Tiefen des Alls sucht. Astronomen fanden in einer Durchmusterung mit H.E.S.S. nahe dem nun entdeckten Pulsar eine ausgedehnte Quelle solcher Strahlung, konnten deren Natur aber bisher nicht klären. Die Entdeckung des Pulsars legt nahe, dass es sich bei der H.E.S.S.-Quelle um einen Pulsarwind-Nebel handelt. Dieser wird von fast lichtschnellen Teilchen erzeugt, die der Pulsar in seinem extrem starken Magnetfeld beschleunigt. Da nun der genaue Ort des Pulsars bekannt ist, kann H.E.S.S. dies zukünftig berücksichtigen und eine höhere Messgenauigkeit als zuvor in dieser Himmelsregion erreichen. (Astrophysical Journal Letters, 2012; in press)
(Max-Planck Gesellschaft (MPG), 25.07.2012 – NPO)