Geowissen

Ins Meer gespülter Gips löste Klimawechsel aus

Forscher finden Erklärung für plötzliche Abkühlung vor 50 Millionen Jahren

Dieses Satellitenbild zeigt das Zagros-Gebirge im Iran, in ihm tritt ein kleiner Rest des gewaltigen urzeitlichen Gipsgürtels zutage, der vor rund 50 Millionen Jahren die Meeres-Chemie nachhaltig veränderte. © US Geological Survey/Center for Earth Resources Observation and Science

Plötzliche Veränderungen der Meeres-Chemie beeinflussen das Klima stärker als bisher gedacht. Sie haben wahrscheinlich vor 50 Millionen Jahren die kühle Klimaperiode verursacht, in der wir bis heute leben. Das hat ein internationales Forscherteam anhand von Meeressedimenten und Modellrechnungen festgestellt. Demnach lösten sich vor etwa 50 Millionen Jahren gewaltige Mengen Gips im Ozean, als Indien mit dem asiatischen Kontinent zusammenstieß. Die im Gips enthaltenen Schwefelverbindungen veränderten damals nicht nur die Ökologie der umliegenden Meere, sie stiegen auch in die Atmosphäre auf und kühlten dort als Schwefelaerosole das Klima. Dieser Prozess habe wahrscheinlich dazu geführt, dass sich das damalige Treibhausklima abkühlte und eine neue Kaltzeit begann, berichten die Forscher im Fachmagazin „Science“.

„Es war zwar schon bekannt, dass Gipsablagerungen sich schnell bilden und auch wieder auflösen können“, erklärt Erstautor Ulrich Wortmann von der University of Toronto. Aber welche Auswirkungen diese Prozesse auf die Chemie des Meeres und auch auf das Klima hätten, sei bisher übersehen worden. Bis vor kurzem habe man angenommen, dass sich die chemische Zusammensetzung des Meerwassers nur sehr langsam ändere, sagen die Forscher. Aber inzwischen finde man immer mehr Hinweise auf kurze, plötzliche Unterbrechungen in dieser allmählichen Entwicklung. So sei vor 120 Millionen Jahren und dann noch einmal vor rund 50 Millionen Jahren der Schwefelgehalt der Meere plötzlich in die Höhe geschossen. Der Grund dafür sei jedoch bisher unklar gewesen.

Blick vom Spaceshuttle aus auf das Zagros-Gebirge an der Küste des Iran; in ihm tritt ein kleiner Rest des gewaltigen urzeitlichen Gipsreservoirs zutage, der vor rund 50 Millionen Jahren die Meeres-Chemie nachhaltig veränderte. © NASA

Kontinentkollision verformte größtes urzeitliches Gipsreservoir

Eine Erklärung für die plötzlichen Veränderungen der Meeres-Chemie könnten Wortmann und seine Kollegin Adina Paytan von der University of California in Santa Cruz jetzt gefunden haben. Sie stellten fest, dass der Schwefelgehalt des Meerwassers genau zu der Zeit rapide anstieg, als der Indische Kontinent mit Eurasien kollidierte. Dieser Zusammenstoß stauchte große Gebiete entlang der Nahtstelle beider Kontinente. Dabei verformte er auch eines der größten urzeitlichen Reservoire von wasserlöslichem Gips, wie die Forscher berichten. Gips besteht aus der schwefelhaltigen chemischen Verbindung Kalziumsulfat. Heute finden sich Reste dieser Ablagerungen in einem langgestreckten Küstenstreifen vom Oman bis nach Pakistan und ins westliche Indien hinein.

„Als Indien mit Eurasien kollidierte, verstärkte dies die Erosion und Verwitterung der Gipsablagerungen dramatisch“, schreiben Wortmann und Paytan. Als Folge gelangten sehr schnell große Mengen Schwefel in den Ozean. Diese plötzliche Schwemme veränderte den Nährstoffhaushalt des Meerwassers und beeinflusste auch die darin lebenden Organismen. Gleichzeitig aber gab der Ozean auch einen großen Teil des Schwefels als feine Schwebstoffe an die Luft ab.

Von diesen Schwefelaerosolen wisse man, beispielsweise aus Vulkanausbrüchen, dass sie abkühlend auf das Klima wirken, erklären die Forscher. Es sei daher naheliegend, dass diese durch den Gips ausgelöste Meeresveränderung auch zur zeitgleich beginnenden Klima-Abkühlung beigetragen habe. „Dadurch könnte eine der wärmsten Perioden der jüngeren Erdgeschichte beendet worden sein“, sagt Wortmann. Diese Erkenntnis repräsentiere einen fundamentalen Umschwung bisheriger Vorstellungen darüber, wie sich die Meeres-Chemie im Laufe der Zeit verändere und wie sie das globale Klima beeinflusse, sagt Wortmann. (doi:10.1126/science.1220656)

(Science, 20.07.2012 – NPO)

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