Genetik

Königin von Saba hinterließ Spuren im Genom der Äthiopier

Forscher weisen Vermischung mit nicht-afrikanischen Gruppen vor 3.000 Jahren nach

Äthiopierin © Steve Evans /CC-by-sa 2.0 us

Im Erbgut der heute lebenden Äthiopier hat möglicherweise die legendäre Königin von Saba ihre Spuren hinterlassen. Das schließt ein internationales Forscherteam aus der Analyse der Gene von 188 Äthiopiern aus verschiedenen Regionen und Bevölkerungsgruppen. Eine dieser Gruppierungen hat sich demnach vor etwa 3.000 Jahren mit einer nicht-afrikanischen Gruppe vermischt – zu der Zeit also, als die sagenumwobene Königin der Überlieferung nach den israelischen König Salomo besucht und mit ihm einen Sohn gezeugt haben soll.

Zwar sei das noch kein Beweis dafür, dass sich diese legendären Ereignisse tatsächlich so abgespielt haben – die Vermischung könnte auch durch eine ganz andere Art der Begegnung zwischen den Völkern entstanden sein, sagen die Forscher. Die Gene der Äthiopier passen jedoch zu dem Szenario der Legenden, schreiben Luca Pagani von der Universität Cambridge und seine Kollegen im Fachmagazin „American Journal of Human Genetics“.

Extrem heterogene Bevölkerungsstruktur

Äthiopien gilt als die Wiege der Menschheit, denn dort sind neben diversen Vormenschenformen auch die ältesten Überreste anatomisch moderner Menschen entdeckt worden. Zudem liegt das Land am Horn von Afrika und gilt damit als eine Art Tor zur Welt. Beide Faktoren, die lange Besiedlungsgeschichte und die gute Erreichbarkeit, haben nach Ansicht der Wissenschaftler dazu beigetragen, dass in Äthiopien eine der vielfältigsten und uneinheitlichsten Bevölkerungen der Welt entstand. Über ihre genetische Zusammensetzung und Herkunft sei jedoch erstaunlich wenig bekannt, merken Pagani und seine Kollegen an.

Deswegen analysierte das Team das Erbgut von 188 Äthiopiern, die aus zehn verschiedenen Volksgruppen stammten. Um bessere Vergleiche durchführen zu können, untersuchten die Wissenschaftler zusätzlich die Gene von 24 Sudanesen und 23 Somaliern und zogen zudem bereits veröffentlichte Erbgutsequenzen zurate. Insgesamt, zeigten diese Daten, ist das Genom der Äthiopier weniger alt und urtümlich als angenommen – ein Ergebnis, das nach Ansicht der Forscher den häufigen Zu- und Abwanderung geschuldet ist.

Hinweis auf legendäre Ereignisse

Für besonders interessant halten sie die Daten zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe: In ihrem Erbgut sind 40 bis 50 Prozent der Gene nicht-afrikanischen Ursprungs. Diese stammten ursprünglich vermutlich aus der Levante, einem Gebiet am östlichen Mittelmeer, das heute unter anderem Syrien, Israel und den Libanon umfasst. Die Vermischung muss vor ungefähr 3.000 Jahren stattgefunden haben.

Der Zeitraum stimmt gut mit der Datierung der Legende von Makeba, der Königin von Saba, überein, die laut dem äthiopischen Buch „Kebra Negast“ – etwa „Ruhm der Könige“ – zwischen 1005 und 955 vor Christus regiert haben soll. Er passt auch zu bereits früher erhobenen linguistischen Daten: Die Sprachen, die die untersuchte Gruppe spricht, unterscheiden sich von denen benachbarter Gruppierungen. Sie gehören zu den sogenannten äthiosemitischen Sprachen und entstanden vermutlich ebenfalls in der Bronzezeit. Sie könnten sich demnach als Folge der Vermischung entwickelt haben. Ob die Begegnung jedoch tatsächlich zwischen der historisch nicht fassbaren Königin und König Salomon stattfand oder ob vielleicht ein Krieg oder intensiver Handel die beiden Völker zusammenbrachte, lässt sich anhand der aktuellen Daten nicht sagen.

Berücksichtige man alle Ergebnisse der aktuellen Analyse, zeige sich, dass das äthiopische Erbgut eine Art Schichtstruktur enthält, schlussfolgert Mitautor Chris Tyler-Smith vom Wellcome Trust Sanger Institute in Cambridge. Man sehe die Abdrücke historischer Ereignisse und sozusagen darunter die sehr viel älterer prähistorischer Geschehnisse, erläutert er. Als Nächstes sollten seiner Ansicht nach unbedingt vollständige Erbgutanalysen folgen – sowohl von Äthiopiern als auch von anderen Volksgruppen -, um die Ursprünge und die Geschichte in Afrika genauer verstehen zu können. (doi: 10.1016/j.ajhg.2012.05.015)

(American Journal of Human Genetics, 22.06.2012 – ILE)

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