Unsere Vorfahren begannen schon vor mehr als 40.000 Jahren damit, einfache Bilder und Symbole an Höhlenwände zu malen. Das zeigt die Datierung der Wandgemälde in elf Höhlen in Nordspanien mit Hilfe einer neuen Methode. Sie verschiebt das Alter einiger bekannter Höhlenmalereien um bis zu zehntausend Jahre in die Vergangenheit. Die früheste Zeichnung – eine einfache runde Form aus rotem Pigment in der El Castillo-Höhle – ist bereits mindestens 40.800 Jahre alt. Ihr Alter übertreffe damit das der Malereien in der Höhle von Chauvet in Frankreich um mindestens 4.000 Jahre, berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Science“. Nach Ansicht der Forscher spricht das hohe Alter der Malereien dafür, dass der Homo sapiens diese Kulturtechnik bereits mitbrachte, als er aus Afrika nach Europa einwanderte. Es sei aber auch nicht auszuschließen, dass die ersten einfachen Höhlengemälde sogar noch von den Neandertalern stammen könnten.
„Das wäre fantastisch, denn es würde bedeuten, dass die Handabdrücke an den Wänden dieser Höhlen die Umrisse von Neandertaler-Händen sind“, sagt Erstautor Alistair Pike von der University of Bristol. Man wisse immerhin, dass dieser Vetter des modernen Menschen noch bis vor mindestens 42.000 Jahren in Nordspanien lebte. Da man mit der jetzt eingesetzten Datierungsmethode nur Mindestalter bestimmt habe, könnten die roten Pigmentspuren durchaus noch aus dieser Ära stammen. Ob das aber tatsächlich der Fall ist, sollen weitere Datierungen ähnlicher Höhlenmalereien zeigen.
Tierbilder kamen erst später
Nach Angaben der Forscher geben die neuen Datierungen auch ein klareres Bild darüber, wie sich die Kunst der Höhlenmalerei von ihren frühesten Anfängen an weiterentwickelte. „Die frühesten Zeichnungen stellen noch keine Tiere dar“, berichtet Paul Pettitt von der University of Sheffield, einer der Mitautoren der Studie. Stattdessen dominierten bei den ältesten Malereien Handabdrücke, Punkte, Scheiben und Linien aus rotem Pigment. Erst nach und nach seien die Malereien technisch und grafisch komplexer geworden und immer mehr figürliche Darstellungen kamen hinzu.
Wie die Forscher berichten, gehören Handabdrücke dabei zu den wahrscheinlich ältesten künstlerischen Darstellungen in Europa. Der neuen Datierung nach sind die Handabdrücke in der spanischen El Castillo-Höhle mindestens 37.300 Jahre alt. „Sie wurden wahrscheinlich gemacht, indem man eine Hand an die Höhlenwand legte und Pigment darüber blies“, erklären die Forscher. An einer Wand der als UNESCO-Welterbe eingestuften Höhle von Altamira entpuppte sich ein einfaches keulenförmiges Symbol als mindestens 35.600 Jahre alt. Die Malerei in dieser Höhle sei damit wenigstens zehntausend Jahre älter als bisher angenommen, berichten die Forscher.
Mineralische Pigmente erschwerten Datierung
Das Alter sehr früher Höhlenbilder konnte bisher meist nur ungenau oder gar nicht bestimmt werden, wie die Forscher erklären. Denn unsere Vorfahren verwendeten dafür oft Pigmente aus nicht-organischen Substanzen – beispielsweise Gesteinspulver mit einem hohen Anteil rötlicher Mineralien. Mit der herkömmlichen Radiokarbonmethode lassen sich diese Pigmente und damit auch die Bilder nicht datieren.
Pike und seine Kollegen datierten die Malereien nun indirekt: über Kalkablagerungen, die sich wie winzige Stalaktiten im Laufe der Zeit auf den Höhlenbildern gebildet haben. Dafür nutzten sie die sogenannte Uran-Thorium-Datierung. Sie basiert auf dem radioaktiven Zerfall von Uran zu Thorium. Aus dem Verhältnis dieser beiden Atomsorten in den Kalkablagerungen konnten die Forscher ermitteln, wann sich diese auf den Höhlenwänden gebildet hatten. Dies gab ihnen das Mindestalter der darunterliegenden Höhlenmalereien an. (doi: 10.1126/science.1219957)
(Science, 15.06.2012 – NPO)