Ein leises Lippenschmatzen könnte einer der Ursprünge der menschlichen Sprache gewesen sein. Denn auch Affen beherrschen schon die komplexen, schnellen Lippen- und Kehlbewegungen, die für das Sprechen nötig sind. Das hat ein internationales Forscherteam durch Beobachtungen an Makaken herausgefunden. Im Gegensatz zum unwillkürlichen Rufen, Grunzen und Knurren der Affen werden die Bewegungen des Gesichts und der Lippen von ihnen bewusst gesteuert und aktiv zur Kommunikation eingesetzt. Sie erfüllen damit eine wichtige Voraussetzung für eine Sprache. Dies stütze die Annahme, dass die Wurzeln der menschlichen Sprache nicht in den Lauten der Primaten, sondern in deren zur Kommunikation eingesetzten Mimik liegen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.
Viele Affenarten schmatzen in freundlichen „face-to-face“ Situationen, etwa zwischen Mutter und Jungtier. Obwohl es sich dabei um ein leises Geräusch („p p p p“) handelt, ist es nicht von einer Lautbildung begleitet, die durch Vibration der Stimmbänder im Kehlkopf entsteht. Oberflächlich betrachtet, scheint das Lippenschmatzen nur durch schnelles Öffnen und Schließen der Lippen zu entstehen. Dass dem nicht so ist, zeigen nun die Forscher der Universität Wien und der Princeton University in den USA. Sie haben die Bewegungen des Mund- und Rachenraums beim Lippenschmatzen der Makaken mit Hilfe von Röntgenfilmen untersucht.
Bewegungen wie beim Wechsel von Vokalen zu Konsonanten
Die Röntgenfilme zeigen, dass es sich um ein komplexes Verhalten handelt, bei dem schnelle und koordinierte Bewegungen der Lippen, des Kiefers, der Zunge sowie des Zungenbeins ablaufen. Mit einer Rate von fünf Zyklen pro Sekunde fänden diese Bewegungen zudem in einer ähnlichen Geschwindigkeit wie menschliche Sprache statt, sagen die Forscher. Obwohl das Lippenschmatzen oberflächlich an ein nachahmendes Kauen erinnere, unterschieden sich die eigentlichen Bewegungsabläufe deutlich davon. Sie ähnelten eher den Abläufen, die im Mund- und Kehlbereich beim Wechsel von Vokalen und Konsonanten während des Sprechens stattfinden. Zudem seien sie doppelt so schnell wie das normale Kauen.
Wie die Forscher berichten, können andere Affenarten, darunter die Schimpansen, mit diesen Lippenbewegungen durchaus auch Geräusche produzieren: Sie versetzen ihre Lippen in Schwingungen und stoßen so ein lautes Schmatzen und Prusten aus. Diese Ausdrucksformen seien offenbar willentlich kontrolliert, sagen die Wissenschaftler. Anders als das Brüllen und Grunzen könnten sie auch erlernt werden. Orang-Utans beispielsweise seien dazu fähig, das Pfeifen zu lernen. Auch dabei entstehe das Geräusch durch Lippen- und Zungenbewegungen und nicht durch den Kehlkopf.
Nach Ansicht der Forscher deuten diese Beobachtungen darauf hin, dass der Ursprung der menschlichen Sprache auf zwei Komponenten zurückgeht: den unwillkürlichen Lauten, die von den Stimmbändern im Kehlkopf erzeugt werden und den schnellen, erlernten Bewegungen des Vokaltrakts. Noch im Dunkeln liege allerdings der Ursprung der singenden, melodiösen Komponente der menschlichen Sprache, die eine Kontrolle über den Kehlkopf erfordert. (doi:10.1016/j.cub.2012.04.055)
(Current Biology, 04.06.2012 – NPO)