Die ältesten Kunstgegenstände des Menschen stammen aus der Schwäbischen Alb. Eine neue Radiokohlenstoffdatierung von Objekten aus der dortigen der Geißenklösterle-Höhle belegen, dass unsere Vorfahren dort bereits vor 42.000 bis 43.000 Jahren Musikinstrumente und Figuren herstellten. Sie sind damit älter als ähnliche Funde dieser sogenannten Aurignacien-Kultur in Italien, Frankreich und anderen Regionen, wie die Forscher im Fachmagazin “ Journal of Human Evolution“ berichten.
Das Geißenklösterle ist eine von mehreren Höhlen auf der Schwäbischen Alb, in denen Schmuck, figürliche Kunst mit einer mythisch-symbolischen Bildsprache sowie Musikinstrumente gefunden wurden. Jetzt haben Wissenschaftler der Universitäten Oxford und Tübingen neue Radiokohlenstoffdatierungen dieser Gegenstände durchgeführt. Dabei nutzten sie eine verbesserte Methodik, mit der sich Kontaminationen besser vermeiden lassen. Mit 42.000 bis 43.000 Jahren sind diese Datierungen die bisher frühesten für das Aurignacien. Das Aurignacien gilt als die erste Kultur, die figürliche Kunstwerke, Musikinstrumente und andere Innovationen hervorbrachte. Das volle Spektrum dieser Innovationen hatte sich in der Region spätestens 40.000 Jahren vor heute vollständig durchgesetzt.
Besiedlung schon vor der kältesten Eiszeitperiode
Die Ergebnisse der Forscher unterstützen die Donau-Korridor-Hypothese, nach der anatomisch moderne Menschen entlang der Donau nach Mitteleuropa einwanderten. Die neuen Daten zeigen darüber hinaus, dass anatomisch moderne Menschen die Region der Oberen Donau bereits vor einer sehr kalten Phase der letzten Eiszeit um etwa 40.000 Jahre vor heute („Heinrich-4-Event“) besiedelt haben.
Bislang gingen viele Wissenschaftler davon aus, dass die Einwanderung des anatomisch modernen Menschen entlang der Donau erst nach dieser Kaltphase stattgefunden habe. Offenbar hat der anatomisch moderne Mensch Südwestdeutschland aber bereits früher, während einer milderen Phase der Würm-Eiszeit betreten – zu einer Zeit und in einem Klima, als Europa von Neandertalern bewohnt war. Trotz intensiver Bemühungen, archäologische Hinweise auf mögliche Begegnungen zwischen beiden Menschenformen zu finden, ist dies im Bereich der Oberen Donau bislang nicht gelungen.
Alb als Kernland des Aurignacien
Die Ergebnisse weisen die Schwäbische Alb als wahrscheinliches Kernland des Aurignacien aus, wobei die schwäbischen Höhlen gleichzeitig die ältesten Belege für die technologischen und künstlerischen Innovationen dieser Zeit geliefert haben. Ob diese Innovationen, die auf der Alb bestens belegt sind, durch den Einfluss von klimatischem Stress, der Konkurrenzsituation mit einer anderen Menschenform oder anderen sozio-kulturellen Dynamiken ausgelöst wurden, bleibt weiter zentral im Fokus der Forschungen der Wissenschaftler aus Tübingen und Oxford.
(Universität Tübingen, 25.05.2012 – NPO)